Samstag, 2. September 2017

Houellebecq und Schopenhauer

Houellebecq und Schopenhauer
ein pathetisches Bekenntnis

Natürlich stürzt sich die intellektuelle Meßdienerschaft auf den philosophischen Ausrutscher ihres Egopriesters. Ich hoffe es wenigstens! Ein Zorn gegen einen Guru ohne schmeichelnde Anhängerschaft wäre doch selbst Kirmes.

Ich schaue nicht nach, welche Ätzungen er sich von Schopenhauer geborgt hat, um gegen die Dummheit der Masse -eben gerade auch seiner lechzenden Anhänger- bildungsweise geschützte Frechheiten loszulassen. Ich habe mich einst ernsthaft in die Philosophie des Arthur Schopenhauer eingelesen und glaube nicht, daß einer, der sich die Haßkappe eines unerfüllten Ego überzieht, um es dem politisch und moralisch gewöhnlichen Anstand mal zu zeigen, ausreichend Einsicht hat, von sich abzusehen und sich in das Problem der Erkenntnisfähigkeit zu versenken. Ja ich habe die von Gefühl entfleischten Elementarteilchen in mich hinein gewürgt, um zu begreifen, was denn Sinn und Sehnsucht dieses Absehens vom Menschen sein mag, zu verstehen, was denn nun Gehalt einer angestrengten Gedankenarbeit auf dem Gebiet der Darstellung eines virtuellen Selbst sein könne. Und ich glaube, dieser literarische Ballermann ist nicht einmal dazu in der Lage, überhaupt ein Problem im Erkennen der Welt zu suchen. Kurz: Wie sollte so einer von Willen und Fangeheul durch das Leben getriebener irgendeinen ernsthaften Zugang zu Schopenhauer finden können, solange er sich -was ich niemandem verdenke- vor dem Schicksal, der Einsamkeit und den Schmerzen der Liebe in ein flüchtendes Ich rettet?

Aber ich probiere es mal mit seinen 2013 erschienenen Gedichten bei Dumont "Gestalt des letzten Ufers".

Zur Vorbeugung einige Jandl-Gedichte. Dann öffne ich das schwarze Blau des doch eher dem nietzscheanischen Tanz um den goldenen Schwanz (Wille zur Macht) als der schmerzvollen Sehnsucht des deutschen Buddhisten Schopenhauer (Wille) zuneigenden Narzißten.

Und schon könnte ich es wieder schließen:

Die erste Zeile: "Durch den Tod des Reinsten wird jegliche Freude zunichte gemacht." Er ist zwar erst 61, aber die Gestalt des letzten Ufers könnte ihm vielleicht doch ein wichtigeres Thema als die Reinheit nahe legen. Gewiß, am Horizont erscheint das Windelproblem. Aber ist die Geburt und der Verlust des so schmutzigen Lebens nicht das, was alle Glocken läuten und verstummen lässt, während ein Litarealianer den Tod als ein Sauberkeitsthema bewirbt?

Liebe schmerzt, Einsamkeit, Beleidigung macht leiden. Was dröhnt da die Werbetrommel von Reinheit?!

Wie in seinem Roman -die panische Utopie vom Untergang des Abendlands durch die Moschee tu ich mir nicht an - muß das Publikum auch hier durch eine Deponie von Industrieschrott einer von Liebe verlassenen Seele steigen. Ein rastlos suchendes Suchen nach dem, was vor und nach der Pubertät Leben macht, streicht die Scheiben seines Käfigs schwarz und rot, um der Welt sein Beleidigt-sein interessant zu machen. Ich bin ein Star, holt mich hier raus!

"Und jeder Winter hat seine Notwendigkeiten
und jede Nacht ihre Erlösung
Und jedes Alter der Welt, jedes Alter hat sein Leiden
Und schreibt sich der Generation ein."

Welche "Trauer" ist es, die da "die Ebene erobert"?

Was ist der Schmerz?

Ich kann ihn nicht mitfühlen, nicht verstehen. Eine schwarze Zacke über der Leinwand. Wenn sie nur dem Künstler etwas sagt, bleibt es eine schwarze Zacke. Aber er schreit doch hinaus, das jedenfalls ist hörbar. Nur: was ist es nur, auf dessen Bedeutung er pocht?

Da gibt es ja allerlei Notwendigkeiten der harten Lebenszeit und mancherlei Erlösung im Dunkel. Und Leiden ist genug.

Aber verwaschene Metaphern haben kein Recht auf Zustimmung, Beifall, Echo, Begeisterung. Und sich in eine Generation einschreiben?! Ich höre Wahn von Größe, der nach da Capo ruft. Solchen Dichtern und Malern möchte ich zurufen: "Im Anfang war das Wort!" Warum gibst Du Deinem Leiden keinen Namen? Willst Du nur gehört werden wie eine blecherne Hülle von König, nicht verstanden wie ein nächster Bürger der von Dir so gelobten und verschmähten Republik? Wie ein gefühlsresilienter Ajatollah rufst Du im Pathos der Weltbedeutung Versatzstücke der Wirklichkeit, baust Weltbilder der Vorherrschaft, streust Verachtung des kleinen frohen und leidenden Lebens, als sei Existenz ein Dreck, den die Putzkolonne der reinen Herrschaft beseitigen müsse. Wer bist Du, Dich über das Du zu erheben?!

Ist Ich mehr als Sehnsucht der Liebe?
Wahn eines Nietzsche*, nicht Weh eines Schopenhauer!

Aber hier erhebe ich mich. Und ich bitte ab.

Wer bin ich, den Unglücklichen meine Haltung nahezulegen, die das Leben im Schattenreich durchtrotten müssen? Mancher versucht sich am Blues. Mancher fühlt sich als ein Jimmy Morrison, gar Hendrix, scheitert und ertrinkt in vergifteter Muttermilch. Sind nicht all die narzißtischen Großmäuligkeiten nicht ebenso ängstliche Hilfeschreie im Kampf um lebendiges Leben? Und war und bin ich nicht selbst oft genug auf dieser Spur und die Hyänen des Ehrgeizes locken mich lachend in ihren Kreis?!

Nimm also, liebe Leserin, lieber Leser diese zornige Kritik nicht als Anleitung zu einem heiligen Literatenkatechismus, sondern als Reflex einer unterirdischen Selbstkritik!

Ja, ich habe die Hip-Hop Gesänge des Ich-Ich satt, den Camouflage-Stolz des Unterdrückers und die Barockmanufakturen der Eliten. Mir ist nach Persiflage wie nach Jandl.

Dies hier ist auch Licht der kleinen Erinnerung, hier blüht ein Gras in Deine Unachtsamkeit, stirbt unter dem Schrecken der Kinder eine Vogelmutter. Nicht rein, nicht groß!. Nur glücklich-schmerzlich von der Gnade des Lebendürfens, einmal wieder Sterbenmüssens. Singe jeder sein Lied. Zu wenig ist davon in der Leere des Internet.

Nach Erfindung der Fotografie suchte die Malerei sich neu und näher am Ich zu orientieren. Sie wurde farbig, surrealistisch, konkret -abstrakt bis ins Unverständliche. Heutige haben die Suche aufgegeben und taumeln um des Taumels willen, den sie Tanz nennen. Und dann kommt es zu einer Haltung der entspannten Spannungslosigkeit, die in folgenden Versen des Houellebecq ihren hoffnungslosen Ausdruck finden:

"Der Tag ist da,
Er erneuert sich
Der Tänzer geht,
Niemand folgt ihm."

"Ich wurde nicht geliebt!"

"Nein, Du hast Deine Liebe geflohen!
Wer hindert Dich an Liebe außer der Angst?
Du hast nur dieses eine Leben.
Wage Mut...! Liebe!"

Klaus Wachowski 1.9.2017
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*Wenn der Geißbock sich als Tänzer fühlt

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