Hast Du
gesehn? Da unten liegen zwei Blätter aus der Zeit vom Dezember. Schon etwas brüchig
und darüber ein Blättchen Kommentar eines gewissen Wachowski, auch nicht gerade
aufreizend. Komm, da vorne eine Bank. Lesen wir uns den Spaß.
Schau
an: Die Reminiscenz eines Alten auf die läppischen Reminiszenzen anderer alter
Männer. Vorne an der Backfabrik treffen sie sich, die alten 68er mit den sogenannten
alten 68ern von der Ahnungslosigkeit. Eigentlich gibt es da wenig zu lachen
oder zu weinen.
Ich
habe aber immer noch die Angst um die Jugend der Republik. Dabei läßt sie sich
sicher nicht von abgehalfterten Wähnern und Tönern einseifen. Das war meine
Generation. Die hier hat eigene Gurus.
Da ist H, Kolonialfranzose mit der Aversion des zu spät
beförderten Buchhalters auf die sich zur Würde der Person bekennende Republik.
Insofern viel Ähnlichkeit mit dem sauren Sarrazin im Schimpfen, mit Erdogan und
Orban in der Enge der Vorstellung. Er hat offenbar seine Vorurteile auf den
neusten Stand gebracht und legt sie Ein bisschen schlechter als Neue Interventionen auf.
Warum das liberale Blatt der „Zeit“ ausgerechnet
zwei neoromantische Rafflesien aus den Mangrovensümpfen der Schmolliteratur
vorstellt, Blech trommelnde Trumpisten des Ngo Ngo? Rafflesien haben etwas von
Kulturblüte: Fliegen fangen. Er wird nach der Trockenlegung der Sümpfe mit
ihnen seinen Golfplatz dekorieren. Dufte!
Das faschistische Modell besagt kurz:
Machtergreifung durch eine Kameradschaftsclique, Beseitigung des Rechts, das
von der Person ausgeht, Neuverteilung der Herrschaft, Vererbung innerhalb der
neuen Dynastien, Betonierung eines hierarchischen Gesellschaftskonzepts,
Anbetung des Ruhms der Helden, Maulhalten, Folter.
Die literarischen Protagonisten der guten alten
Zeit verlegen sich da auf das Lob der guten Seiten, regelmäßig goldene
Barockbommeln, gewaltige Hallen, Gedichteschmier im Bart neuer und uralter
Heiliger. Man zapft von Weisheiten und klebriger Phantasie. Ewigkeiten en
masse. Ein gewisser Mangel an Unendlichkeit lässt sich wohl gerade deshalb
nicht verleugnen.
Der Mensch kommt, wenn überhaupt, nur als das
störende Kind vor. Sie polieren fleißig die alte Weihe. Das Blut klebt aber an
der Innenseite der Heckscheibe. Was würden sie tun, wenn plötzlich die Tür
aufginge?
Ich sage: Nein!
Aber was hat das Liberale davon? Was fasziniert
die "Zeit" an rechtsgewalzter Literatur, die vom liberalen Looser
Nietzsche auf den sonst philosophierenden, in den beliebten Aphorismen aber oft
unerträglich schwadronierenden, Rentier Schopenhauer gekommen ist, um etwas
Seriosität über die Hektik zu hängen, um den flauen Schwulst den Schlips?
Ein Freund schenkt mir zwei lange Lappen vom
Dezember aus der „Zeit“ über Houellebecq und Sloterdijk. Ein wenig Spaßärger in
Zeiten des Aerosols.
Es ist wohl die Lust an Abwechslung, die dem saturierten
Intellekt vom goldenen Berg den Spaß am Zwirbeldenken der Menschenwurstigkeit
macht. Vernunft allein zeigt sich langweilig (Schopenhauer, Kant, Sokrates). Es
gehört schon ein Schlenker im Denken dazu, zumindest eine wagnerianische
Bommel, ein nietzschanischer Schnitzer, ein Jodeln von Ich- oder Wir-zuerst.
Aber doch bitte keine Werbezeitschriften,
kostenlose Zeitungen oder Zettelgedichte! Keine Begriffs-Schläuche vom
Zapfkönig der Weisheiten, keine Knallfrösche (Zeit zu H) vom Philoflopper. Das
Hirn zudonnern mit der Dröhnung aus den Trögen des Mittelalters und Barock, an
der sich schon die Romantik bis zum Rassismus besoffen hat? Pegida
Goldstandard. Bitte nicht an Leser*innen der Zeit, die sich ihre Ewigkeit für
die Zeit nach der Republik aufheben!
Noch ein paar schöne Zitate. Das muß dann mal
reichen für einen Wochenendspaß.
Zu H. 3.12.20 Feuilleton:
„Und erklärt sich vielleicht aus dem Glauben an
die Wirkung seiner Gedanken Hs glucksende Frohgemutheit …? Zählt er sich wohl
zu den Gewinnern der Geschichte?“
„Als .. er mit Elementarteilchen 1999 weltberühmt
wurde, wollte sich keiner seinem Sexappeal entziehen…“
„… ein beherzter Kulturkämpfer..“ , „Disruptive
Energien“, „Radikal aufrichtiger Autor“…
„H, dieser geniale Knallfrosch“, „Ein Kind
unserer Zeit, verspielt und verwöhnt“
Den Verstand verwöhnt und verspielt hat hier Ijoma
Mangold
Sloterdijk, alt gewordener Frontmann im
Lodenmantel (ein gewisser Drang zu Heideggerschem Begriffeblasen und - rühren
läßt sich nicht leugnen) am 3. 12. 20 in der Zeit:
„Es sei die These gewagt, dass die Alte Welt ...
sich seit dem 15. Jahrhundert in ein Laboratorium der Menschenformung wandelte,
autoplastisch und heteroplastisch.“ ( schon damals Menschenpark?)
„Als die aus der Mitte Vertriebenen heißen die
Sterblichen Sünder; der essenzielle Vertriebenenverband nennt sich die
christliche Religion.“ (Wallen und Schwallen)
„wie sich Sünder zu Subjekten wandeln“ (meint: vom
Gegenstand zum Ursprung von Recht, <Person>, Untertan zu Bürger)
„Man möchte meinen, man lese den ersten Artikel
einer Allgemeinen Erklärung des Komplexwerdens aller Dinge.“ (Es flirrt
vor den Augen. Aber der bunte Schmetterling ist längst Raupe)
„Fast 200 Jahre nach Schopenhauers großem Coup hat
Gumbrecht, emeritierter Romanist aus Stanford international präsenter Frontmann
...“ (Fachmann versus Philosoph?!)
„Zwischen Gracian und Schopenhauer liegt ein
Abgrund, der die Kunst des Selbstseins im 17. Jahrhundert von der des 19.
Jahrhunderts trennt.“ (Die Revolutionen des 18. Jahrhunderts, die Gründung der
Freiheit, Republik, die Emanzipation zum Bürger, kommen nicht vor. Wie das der Rennaiscence)
„Nennen wir sie die expressivistische
Revolution.“ (Klingt bedeutsam. Die Revolution war aber – bürgerlich. Und
Enttäuschung: Schopenhauer las bürgerliche Presse Englands, keine Romantik)
„abstrakt universalistische Atrappen für das
moralische Fußvolk“ (kleine Stichelei gegen Kant, dem die „denkende Rakete“ von
ca. 1980 den stabileren Ruhm nicht verzeihen kann).
Ob Trump, ob H, ob S oder andere Leuchten der
guten alten Zeit und des neuen Privilegs. Sie waren doch nie 68, profitierten aber
gerne von der sexuellen Revolution und greifen dem Publikum ins untere
Bewußtsein. Bohlen für arte. Peinliches Deutschland.
Wozu
solche müßigen Erörterungen? Die Glasscheiben am Balkon sind sauber, die
Geschäfte der Stadt quietschen ihrer Öffnung entgegen, das Mittelmeer ist voll
von Hoffnung und Angst. Und jetzt Altes vom Alten?!
Wozu der Zorn des Alten über Alte? Wir stehen doch
alle vor dem Abgrund Vergessen. Was tönen wir, als hätten wir Jahrhunderte vor
uns plus langanhaltenden Beifall der Guten und der Gläubigen des Ruhms?
Der
Vogel zwitschert noch im Augenblick des Untergangs. Warum nicht wir? Das mag
zur Entschuldigung dienen. Es bleibt müßig und Spaß…
Es gibt eine Erklärung von Wissenschaftler*innen:
Man solle doch die Freiheit der Debatte erhalten und dem Haß absagen. Dem
stimme ich zu.
Ich
diskutiere nicht mit Literaten von Trump und Co. Sie mögen ihre Lockstoffe
durch alle Welt duften. Mir liegt nichts daran, die miese Inquisitionsarbeit
eines Kurt Goller SA gegen die Literatur nun umgekehrt von der Seite der
Republik aus zu übernehmen. Aber ich möchte schon schimpfen, wenn sie weihevoll
trumpierend über dem Forum schweben.
Des
Kaisers neue Kleider sehen auch bei ihnen nicht besser aus, so wichtig und sauer
sie ihre Gesichter beim „Weben“ auch ziehen. Was ist da Hip, was VIP? Mich erinnert
das Marktgeschrei an die Meldung vom Einspritzen von Botox in Kamellippen auf Saudi-Arabischen
Märkten.
Klaus
Wachowski 1.3.2021