Dienstag, 29. Januar 2019

Von Thronen

Nicht so sehr der Moskauer Algorithmus auf dem Thron von Washington ist das Problem. Das eigentliche Problem ist ein Thron in der Hauptstadt der Republik.

Und dies ist nicht ein Melting Pot. Es ist ein weites Land, in das sich Familien, Clans und irre Sekten eingeschlossen haben, die Gott zu einem Guru oder goldenen Kalb machen. Und das Leben zu einem Gefängnis für die Person.

Wie es kam? Dr. Smirc meint, auf dem Land gäbe es ohnehin keine Demokratie, nur die Gleichheit des Colt. Eine Welt des Breivig. Die guten Jahrhunderte des Landes seien doch mehr mit der Gründung der Städte als mit der Unterwerfung des Westens einher gegangen. Damals sei ein intellektueller, eine Intellektuelle noch ein Mann oder eine Frau des freien Geistes gewesen. Solche Leute konnte man wählen.

Inzwischen sei er oder sie eingekauft vom freien Geld. Von denen habe doch keiner mehr ein Interesse sich für die Republik einzusetzen. Jeder suche nur verzweifelt nach einem gut bezahlten Platz. Nur so habe es kommen können, daß Clowns der Bühne sich erfolgreich zur Wahl aufstellen lassen.

Dr. Warnix, Psychagog und abgeschröderter Sozialdemokrat, meint, ja das sei doch ganz ähnlich hierzulande, wo aus überzeugten Sozialdemokraten nach dem Hinausekeln der Intelligenz die Zeit der beflissenen Plakatkleber mit Second-Hand-Studium der Betriebswirtschaft angebrochen sei, die zusammen mit Glücksrittern des Ostens den guten Namen abgewirtschaftet hätten.

Smirc: "Jetzt nicht ablenken, wir reden von einer der Wiegen der Demokratie!"

Putin lächelt brexithaft. "Was wollt Ihr denn? Ihr habt doch alles, was Ihr braucht: die Arbeitslosigkeit ist runter, die Kurse steigen, die Welt ziert vor Eurer Unberechenbarkeit. Wo soll ich denn noch investieren?" Brot und Spiele. Ob es Augustus mache oder ein Gameplayer der Republik, was sei so schlimm am Unterschied?

Dr. Smirc wirft Caesar sein Parteiabzeichen vor die Füße: "Du redest wie Catilina!" Nimmt Dr. Warnix, Psychagog und diplomierten Besserwisser, am Arm.

Sie nehmen das nächste Schiff nach Achtundsechzig. Sehnsüchtig winkt die Freiheitsstatue.

29.1.2019 Klaus Wachowski

Montag, 21. Januar 2019

Marcuse zur Lüge


...Ganz gewiß, Knechtschaft und Lüge gehören zusammen. Aber man wird nicht zum Knecht , weil man lügt, sondern man muß lügen, weil man zufällig ein Knecht ist ...


Marcuse,

Das Märchen von der Sicherheit
Diogenes-Verlag
 


Dienstag, 15. Januar 2019

Aha, der Kaiser

Buch 2 Paragraph 2
"Was ich auch immer sein mag, es ist doch nur ein wenig Fleisch, ein schwacher Lebenshauch und die leitende Vernunft. Laß die Bücher, die Zerstreuung, es fehlt dir die Zeit. Betrachte dich als einen, der im Begriff ist zu sterben,
verachte dieses Fleisch: Blut, Knochen, ein zerbrechliches Gewebe, aus Nerven, Puls- und Blutadern zusammengeflochten.
Betrachte diesen Lebenshauch selbst; was ist er? Nur Wind, und nicht einmal immer derselbe, sondern jeden Augenblick ausgeatmet und wieder eingeatmet.
Das Dritte ist die gebietende Vernunft. Auf folgendes mußt du bedacht sein: Du bist alt; gib nicht mehr zu, daß sie eine Sklavin sei, daß sie durch einen wilden Trieb dahingerissen werde oder gegen das jetzige Geschick murre oder durch das künftige erschüttert werde. "
Worte des weisen Kaisers - großen Führers, Vorsitzenden?
Marc Aurelian - Reclam 1241
Ich stehe vor dem schön gearbeiteten Tisch, schaue in die vom Morgenrot beleuchteten Mauern einer einst wohl gerühmten Architektur und frage mich, was so einer von da oben, der nie auf ein Smartphone getippt hat, nicht den ganzen Tag von den neuesten Hits bestrahlt wurde, dafür aber vom ewigen Lächeln der Kriecher umgeben war, Wünsche, Sorgen, eben dieser Mächtigen wälzen, anständige Bürger für die Interessen jener niederhalten mußte, mir unwürdigem Menschen sagen kann, der, von Projekten gejagt, kaum Zeit für die nächste Umgebung hat.
Er vergegenwärtigt sich des Sterbenmüssens. Da sind wir gleich. Es mag ein anderer Wurm sein, der an Deinem Leichnam nagte. Es ist ein Wurm.
Auch er lobte Freiheit und Gleichheit. Seltsam: ein Kaiser, von Freunden umgeben, die mindestens eine Million Vermögen haben mussten! ...Ein schwacher Lebenshauch.
Etwas ist von ihm geblieben. Sein Buch. Etwas, das sich damals die wenigsten leisten konnten, weshalb das Altertum zum überwiegenden Teil aus Selbstdarstellung zu bestehen scheint. Und ich verdanke seinen Ratschlägen am Rand der Grube, zweitausend Jahre nach dem  Zerfall seiner Lippen soeben die Motivierung zu meinen Pilatesübungen.
Als Stoiker fragt er ja nicht nach der Meinung anderer. Ich äußere meine.
Wäre ich an seiner Stelle Herr gewesen, wäre ich wohl sehr schnell gestürzt worden. Ich hätte wohl in irgendeiner Richtung leise auf Wiederherstellung der Republik regiert, was die Lächler doch rasch gespürt hätten und für meinen Sturz durch einen braveren Wohltäter gesorgt. Auch wäre ich wohl zu spöttisch gegenüber den damaligen Kulturgrößen aufgetreten, was zu heimtückischer Parteibildung angeregt hätte.
Warum herrschen statt miteinander reden und handeln?! Dieses Thema ließ der Weise aus und hat sich damit das überschwenglische Lob verhinderter Untertanenseelen gesichert: "Seht, wie wohl und weise Herrschaft statt schwätzender Republik sein kann!"
Sie verstehen nichts von dem, was das Ding mit dem schwachen Lebenshauch bedeutet. Was das betrifft, treffen er und ich einander in der Ewigkeit, wo sein Stern glühte und meiner, vielleicht nicht ganz so hell, noch funkelt. Allerdings habe ich bei aller Zustimmung und Achtung für seine Ansichten eine anders gewendete Haltung:
1 Dieser Leib mag noch so schwach und ungenügend sein, er ist das einzige, was ich habe, mein Fühlen zu umkleiden, umherzutragen, mich spüren zu lassen. Ja, recht betrachtet ist er meine Seele von Außen gesehen. Er hat mich durch all die Zeit und Räume getragen, die mir die Ewigkeit gegönnt hat, er hat mich mit Fühlen und Wollen begabt und zum Handeln befähigt. Ich verachte ihn nicht.
Aber ich bin einig mit Dir, daß dies nur ein kurzer, flüchtiger Zustand ist. Ich habe, hatte keinen anderen. Insgesamt war es eine gute Erfahrung, die Augen aufschlagen und all dies Alles wahrnehmen zu können. Ich will mein Leben einst nicht gleichgültig weglegen, sondern im Gefühl der Dankbarkeit.
2 Das gleiche fühle ich gegenüber "diesem Lebenshauch", der Lebenskraft, dem Willen zum Leben, der Seele pp. Sie war Sehnsucht, Liebe, aber auch Schmerz und Wut. Sie ist das, was mir Menschen wert macht, mich ihnen nahe fühlen läßt. Ja, auch ängstlich, wütend und mißtrauisch. Aber auch hier überwog und überwiegt hoffentlich weiter Liebe, Achtung und Sympathie.
3 "Das Dritte ist die gebietende Vernunft." Das "gebietende" hat wohl ein geborener Knecht so übersetzt. Ich denke, daß damit "leitend" im Sinn von Richtung zeigend gemeint ist. Mich hat sie oft davon abgehalten, "den Leidenschaften nachzugeben", also bei aller Lust doch von Sex,  Drugs  and Rock'n Roll lieber abzusehen, sicher oft zum Guten, oft mit Reue verbunden. Sie hat mir aber den schweren Weg weg von der Ideologie zum kritischeren Denken und Selbstbetrachten gezeigt. Auch für dieses Geschenk bin ich der Natur, den Göttern, Gott dankbar.
Hier an der Pforte standest auch Du. Nicht schlecht und gar selten: ein Herrscher, der denken konnte. Wenn ich einen Rat geben sollte, würde ich sagen -vielleicht mit dem stillen Verehrer der Republik Kant: Gehe hin und tue des gleichen!
War das, was der Samariter tat -vernünftig? Man wird wohl streiten- nicht mindestens ebenso von Wert?
Da will ein Trumpelstilzchen  einen Limes gegen Mexiko in die Ewigkeit ziehen, einer baut riesige Stadien, ein anderer Straßen. Schau, die schöne Ruine! Was war das wohl für eine Figur? Hat sie etwas für Menschen getan? Kaum. Insofern ist mir meine Gutmenschin, nämlich menschliche Nachbarin X und ein philosophierender Marc Aurelian ganz recht.
Die Sonne versinkt hinter den Häusern. Ein Tag, von Gedanken leicht, entläßt mich in die Nacht.
Klaus Wachowski 15.1.2016
Buch 2 Paragraph 6
"Schäme dich, ja schäme dich, Seele! Dich zu ehren, wirst du keine Zeit mehr haben. Unser Leben ist flüchtig, das deinige ist fast schon am Ziele, und du hast keine Achtung vor dir,  denn du suchst deine Glückseligkeit in den Herzen anderer. "
Das ist wohl das Schwerste. Denn wir sind nicht als Eulen geboren, sondern als Menschen und suchen Nähe und Zustimmung, gar Übereinstimmung (Nächstenliebe hat auch eine Ego-Komponente). Und so wird aus einem Gespräch rasch ein Vortrag, erschlägt der Narziß vom Club der Demagogen das Forum mit Monologen und der Hilfe von Claqueuren des Betriebs. Auch uns selbst macht Beifall besoffen.
Hier, Freund der Republik, teile die Worte des Kaisers, der sich zum Selbstdenken rät. Achte auf Dich, indem Du Dich achtest - und die anderen.

Freitag, 11. Januar 2019

Houellebecq verkauft sich gut

Serotonin-Houellebecq und Tod-im-Reisfeld-Scholl-Latour
Was ist der Unterschied?
Dr. Smirc meint, es läge ein Fall von RTL vor, etwa in der Art des Sarrazin. Von der Auflage her sei Houellebecq Trump näher, von der eingeschränkten Phantasie her deutsche Michel.
Hätte er überhaupt je die Haltung eines Literaten gehabt? Es sei doch ein Unterschied, ob sich ein Ich in der Welt orientiere oder ob es irgendeine schräge Kopie von Ideologie hinein schmiere.
Auf die Qualität von Tapeten verstehe er, Smirc, sich nicht. Natürlich habe das Geschäft mit Tapeten mehr Umsatz als die bildnerische Entäußerung einer Seele, die es gnädiger Weise in die Ausstellung einer Sparkasse gefunden habe. Er, Smirc, hänge sich aber lieber einen selbst gebogenen Wingertsknorzen an die weiße Wand als einen phantastischen Urwald oder Autofriedhof von Houellebecq auf sie zu kleistern.
Dr. Warnix, Psychagog und abgehalfteter Kolonialwarenverticker, mahnt den Bezug zu Latour an. Von der primitiven Vorurteilhaftigkeit her läge doch auch hier eine vergleichende Betrachtung nahe. Das eurozentristische Vorurteil sei dem kolonialen nur gefolgt, nicht der Qualität nach überlegen. Auch hier ganz deutlich die Wut der angeschlagenen Überlegenheitsphantastik, auch hier verzerrte Betrachtung von Realität und Potenz.
Was ich meine?
Ich denke an Handke. Der stets zu wenig beachtete Narziß, der sich ins Niemandsland zurückzieht, damit der Beifall des Publikums sich noch mehr als bei der Konkurrenz anstrengen muß, an seine Ohren zu gelangen. Die Demut vor dem Nichtssagenden schwelle gefälligst an zu einem ungeheuren Medientrommeln und -pfeifen.
Auch er wird sich über das Aufheulen der Erfolgsmeldungen ärgern. Mit dem Recht des Guru vom stillen Ort gegen den Healer vom Schnäppchenmarkt.
Erigierende Probleme surfen an der Oberfläche aus Grauen vor der Tiefe.
Der goldene Berg beginnt zu knirschen.
Ich biege derweilen an meinem Wingertknorzen, talkin bout my generation.

Dienstag, 8. Januar 2019

Ein Kaiser über erfolgreiche Demagogen

11.

Durch Fronto wurde ich belehrt, daß mit der Willkürherrschaft Neid, Ränkesucht und Verstellungskunst verknüpft sind und wie wenig Menschenliebe diejenigen im Herzen tragen. die wir Patrizier nennen.

Marc Aurel (aus Selbstbeschreibungen Reclam 1241)