Mittwoch, 28. Februar 2018

Mahner oder Provokateur

"Im Hardenberg Literaturkalender 2018 meint D.M. am 26.2. zu Houellebecq:

Mitunter word ihm von den Kritikern vorgeworfen, der Skandal sei bei ihm eine Strategie, sich auf dem literarischen Markt zu behaupten. Nichtsdestotrotz finden seine Werke wie breite Leserschaft..."

Falsch! Nicht nichtsdestotrotz sondern eben deshalb! Fans oder schon Gefolgschaft?

Sein Lieblings-Tabu ist wie bei allen schlechten Kabarettisten -von unter der Gürtellinie-, wie bei allen Egomanen und Narzißten: die Würde des Menschen.  Gegen sie lassen sich mühelos Vorurteile aus der Kanalisation schöpfen.

Ich sehe in ihr die Grundlage der Freiheit, die jene, sie zerstörend- reklamieren. Darüber gab es einmal common sense.

Aber eben deshalb findet sich die breite Leserschaft bei ihm ein:  Sehnsucht nach Vorlagen des Menschenhasses, die Eigenliebe zu rechtfertigen.

"Unterwerfung" schreien, um herrschen zu können. Auf die Schwachen hetzen, bis sie aufschreien, um sich über Lärmbelästigung zu beklagen.

Montag, 26. Februar 2018

Übersehenes Unrecht

Unrecht als Recht respektiert


Einen beschämenden Sachverhalt berichtet Kurt Schrimm, früher Leiter der zentralen Stelle in Ludwigsburg:


"Die Angehörigen des Werkstattzuges töteten auf Befehl ihres Chefs an mehreren Orten, in denen der Zug vorübergehend einquartiert war, jeweils mehrere Hundert Juden in einer zum Teil geradezu bestialischen...


Während der Mordaktionen spielte der Zugführer gelegentlich auf seiner Ziehharmonika...

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart warf den Angeklagten Mord und Beihilfe zum Mord vor.

Besagter Zugführer trat in diesem Prozess als Zeuge auf und verfolgte den Rest der Hauptverhandlung als Zuschauer von der ersten Reihe aus. Wie konnte es dazu kommen, dass der damalige Befehlsgeber Zeuge, die Befehlsempfänger aber angeklagt waren?...


Der Zugführer wurde nach der Tat beim für ihn zuständigen SS-Gericht angeklagt. Nicht wegen der Ermordung der Dorfbewohner, sondern wegen Kompetenzüberschreitung. Er wurde vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung bis nach Kriegsende ausgesetzt wurde. ...Aber bereits mit Rechtskraft des Urteils war der sogenannte Strafklageverbrauch eingetreten, das heißt, der Verurteilte durfte wegen dieser Tat nicht erneut vor Gericht gestellt werden. Dabei spielte es keine Rolle, dass er nicht von einem ordentlichen, sondern von einem SS—Gericht verurteilt worden war.

Noch erschütternder als die Tatschilderung ist die Urteilsbegründung des Obersten SS— und Polizeigerichts München vom 24. Mai 1943:


"...Wegen der Judenaktionen als solcher soll der Angeklagte nicht bestraft werden. Die Juden müssen vernichtet werden, es ist um keinen der getöteten Juden schade...."


Für die dem damaligen Angeklagten vorgeworfene Tat war ausschließlich ein SS-Gericht zuständig. "Eine schreiende Ungerechtigkeit!", ist man spontan versucht zu sagen. Hier zwei Männer am Ende der Befehlskette, denen langjährige Freiheitsstrafen drohten (die sie auch erhielten), dort der Offizier, der die Aktion eigenmächtig befohlen hatte und im Ergebnis straffrei ausging.

Und doch war das Ganze nach der Gesetzeslage rechtens. Das Verbot der Doppelbestrafung ist in Artikel 103 Grundgesetz geregelt und genießt somit Verfassungsrang. Es ist auch keinesfalls Ein Schutzgesetz für NS-Verbrecher, es gilt für alle Menschen.


Ein Verurteilter soll wissen, dass damit die Sache für ihn erledigt ist und er nicht ein Leben lang eine weitere oder zusätzliche Bestrafung fürchten muss. Selbstverständlich dürfen wegen des Gleichbehandlungsgebots NS-Verbrecher auch nicht von diesem Schutz ausgenommen werden. Dabei müssen Folgen in Kauf genommen werden, die eigentlich unfassbar sind. "



Soweit die Auffassung des - nach Eindruck der Lektüre seines Buchs "Schuld die nicht vergeht" - engagierten, kenntnisreichen und integren Kurt Schrimm, ehemaliger Leiter der zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg.



Erschreckend wie wenig zur Bestrafung der NS-Grausamkeiten getan werden konnte, erschreckend, wie spät und saumselig die BRD an eine konsequente Aufarbeitung ging. Ich selbst mußte erleben, wie einem Wachmann von Buchenwald trotz gesetzlichem Ausschluß aus der Förderung die Vergünstigungen nach dem Vertriebenen- und Verfolgungsrecht zugesprochen wurden. Soweit ich mich erinnere noch in den 90er Jahren. Es gab aber auch viel ehrliche Anstrengung. Auch das sind meine Erfahrungen aus der Stück für Stück, wenn auch viel zu spät erfolgten, Nachbesserungen. Der hier von Herrn Schrimm aufgeführte Fall -wie der gesamte Bereich der vernachlässigten Aufbereitung der NS-Justiz - scheint symptomatisch für eine starke Unsicherheit in Gerechtigkeitsangelegenheiten.


Gerechtigkeit ist mir nur sekundär eine Sache der Relation zwischen den Strafen verschiedener Täter im gleichen Umfeld. Gerecht muß Recht sich zuerst gegenüber dem Opfer erweisen.

Die Republik baut ihr Recht nicht aus einem Weltbild, von dem aus sie ihre Normen auf den Einzelnen herunterbricht. Hier ist der Entscheidungsweg umgekehrt. Der Ursprung ist der und die Einzelne, aus deren Verhandeln sich Handeln, und das gesamte Netz der Berechtigungen und Verpflichtungen, des Rechts und auch des Strafrechts ergibt.


Die Republik kann ein aus anderen, insbesondere aus ihr feindlichen, Haltungen stammendes Recht nicht einfach übernehmen oder fortführen. Ihr Recht muß originär ihr selbst entstammen und kann nicht abgeleitet sein. So können Rechtsvorschriften und Urteile aus Zeiten vor Eintritt der auf ordentliche Weise gefundenen Rechte nur übernommen oder übertragen werden, soweit sie dem neuen "originären" Rechtsempfinden und -gestalten entsprechen, zumindest nicht widersprechen.


Einiges ist geschehen. Das Unrecht aus Nazi und Kaiserzeiten, ja aus unvollendeter Republik der 20er etwa im Bereich Desertion, Homosexualität und Psychiatrie wurde überprüft und aufgehoben.

Zu den Folgerungen des Herrn Schrimm in seinem selbst als ungerecht empfundenen Fall hier nochmal das Zitat aus seinem Buch Seite 319:


"Ein Verurteilter soll wissen, dass damit die Sache für ihn erledigt ist und er nicht ein Leben lang eine weitere oder zusätzliche Bestrafung fürchten muss. Selbstverständlich dürfen wegen des Gleichbehandlungsgebots NS-Verbrecher auch nicht von diesem Schutz ausgenommen werden. 

Dabei müssen Folgen in Kauf genommen werden, die eigentlich unfassbar sind. "


In diesem Fall war das Urteil nicht von einem ordentlichen Gericht eines ordentlichen Staats, sondern von einer Lynchversammlung einer als Rudel geführten Gemeinschaft. Gleichgültig, ob dieses Gericht in der einen oder anderen Richtung zufällig ein dem Menschenrecht entsprechendes Urteil gefunden hätte, so war es doch zumindest in vollem Umfang auf seinen materiellen Rechtsgehalt zu überprüfen, wenn man nicht irgendeinem Täter gegenüber einem anderen Täter sondern seinen Opfern gegenüber der Tat gerecht werden wollte.


Daß die Verfassung eine solche Möglichkeit offensichtlich nicht vorsieht, ist ein Mangel, der hier -und vermutlich auch in vielen anderen Fällen- zu Folgen führte, "die eigentlich unfaßbar" sind. Dem sollte -auch mit Rücksicht auf DDR- Unrecht abgeholfen werden.


Ein Verurteilter soll wissen, dass damit die Sache für ihn erledigt ist und er nicht ein Leben lang eine weitere oder zusätzliche Bestrafung fürchten muss?...- Die Opfer dann wohl auch!-


Bleibt zu hoffen, daß den inzwischen geschaffenen internationalen Strafgerichtshöfen solche Hemmnisse aus derm Unrecht der Vorzeit nicht im Wege stehen.

Mittwoch, 14. Februar 2018

Im Dunkel unsres Ich

Nach einem nachdenklichen Gottesdienst

Im Dunkel unsrer Nacht entzünde das Feuer, das nie mehr erlischt.

Das Lied erinnert mich an Jean Paul, den christlichen Klassiker: "Nicht das Leben im Tod, sondern der Tod im Leben."

Eine schöne Pfarrergeschichte in Zeiten der Aufklärung von Philipp Moritz (dem Anton Reiser) ist auch "Andreas Hartknopf".

Barmherzigkeit

Das Sanfte habe Platz in der Welt.

Liebe und Haß, Freude und Zorn, Trauer und Wut. Alles irgendwann recht.

Aber zu all der Härte und Gleichgültigkeit gehört auch das Sanfte, Barmherzigkeit.

Und stets braucht es mehr davon, als gerade erreichbar ist, wo man andere Sorgen hat.

Sonntag, 11. Februar 2018

Der Verrat

Man kann es nicht wissen: Der Verrat des Hinterzimmers am Vertrauen. Für mich fühlt es sich an wie ein Anschlag von Kader und Aufsichtsrat, Funktionär und Manager, Ideologe und Gschaftlhuber  gegen die Republik.

Ich sehe jedenfalls weder Cato noch Brutus, als daß ich auf das Vorhandensein eines Caesar in Schulz schließen könnte.

Donnerstag, 8. Februar 2018

Der Ideologe

Und fluchend floh er die Schrecken der Liebe.

True lies

Natürlich glauben sie den Lügner nicht.
Aber die Wahrheit geht ihnen auf die Nerven.

Of course, they do not believe the liar.
But truth gets is a pain in their neck

Dienstag, 6. Februar 2018

Sonntag, 4. Februar 2018

Verdienst und Leistung

Gerne erzählte die Generation der Verräter der SPD an die Betriebswirtschaft und sonstige Schwerarbeiter der gut bezahlten Verantwortung davon, wie schwer sie belastet war. 24 Stunden rund um die Uhr ist der Funktionär gefordert, ein überlasteter Sonnenkönig, Lenin oder Nixon.

Laß dir nichts vormachen: es war 24 Stunden Droge Macht, im besten Fall Dop(e)amin aus dem Gefühl, zu helfen. Haben sie Dir eine Möglichkeit gegeben mit zu bestimmen!? "Laß nur! Ich mach das schon...", war das Wort aus der Angst des Machtverlusts. Ruhm, Ehre, Macht, dafür haben die besonderen "Leister" den wichtigsten Betriebsstoff der Republik abgesaugt: selbständiges interaktives handeln.

Freitag, 2. Februar 2018

Hannah Arendt zu den neuen Revolutionen

Der Fehler (bei der falschen Einschätzung bezüglich der "Schweinebucht") bestand darin, dass man nicht begriffen hat, was es bedeutet, wenn eine verarmte Bevölkerung in einem rückständigen Land, in dem die Korruption das Ausmaß völliger Verdorbenheit erreicht hat, plötzlich befreit wird, nicht von der Armut, sondern von der Undeutlichkeit und damit der Unbegreiflichkeit des eigenen Elends; was es bedeutet, wenn die Leute merken, dass zum ersten Mal offen über ihre Lage debattiert wird, und wenn sie eingeladen sind, sich an dieser Diskussion zu beteiligen; und was es heißt, wenn man sie in ihre Hauptstadt bringt, die sie nie zuvor gesehen haben, und ihnen sagt: Diese Straßen, diese Gebäude, diese Plätze, das gehört alles euch, das ist euer Besitz und damit auch euer Stolz. Das - oder zumindest etwas Ahnliches - geschah zum ersten Mal während der Französischen Revolution. (Die Freiheit,  frei zu sein dtv).

Das trifft doch wohl auch auf die vordergründig "islamischen" und die arabischen Revolutionen zu. This land is your land. Du kannst über dein Schicksal mit entscheiden. Das recht kommt aus der Person, jeder einzelnen!

Ein anderer guter Gedanke: geht es in der Republik darum, sich als der Beste zu beweisen oder darum, der Mächtigste zu sein? Gut handeln oder gefürchtet werden?

Hier widerspreche ich einem Gedanken Arendts. Das sich beweisen erscheint mir als ein Ausdruck von Persönlichkeit, aber nur bedingt als "Tugend" republikanischen Sinns. Der zunehmende Narzißmus in leitenden politischen Stellungen der USA erscheint mir eher als eine große Gefahr für die Freiheit. Der Westernheld Reagan, Showmaster Kevin Trump, besoffener Beifall statt Zustimmung der Köpfe, Inszenierungen in Sibirien und vor dem Parteiblock in China, da wird die Gleichwertigkeit im Handeln und Verhandeln gekippt durch Optik, Show und Trick. Meines Dafürhaltens nach hat die amerikanische Republik im letzten Wahlkampf eine schwere Verletzung erfahren. Sie wurde niedergebrüllt und lächerlich gemacht. Wo sind nun Ernst und Vertrauen in die Abgesandten des Volkes? Sind das nicht eher Truppen von Mächten als Stimmen des common sense?

Hier halte ich es eher mit dem trockenen und konservativen Cato, dem ein Ausschluß von schillernden Narzißten wie orgelnden Monologisten aus politischen Führungspositionen recht im Sinn der freien Republik gewesen wäre. Man sehe die Show, die ein Caesar, ein Augustus abzogen. Nero mit der Leier beim Anblick des brennenden Rom, die gewaltigen Ausgaben aller -auch der modernen - Diktatoren für Kunst und Inszenierung.

Die Freiheit der Kunst und der (auch Selbst-) Darsteller ist unverzichtbarer Teil der Freiheit und der Republik. Aber sie darf ebensowenig die Macht über das Handeln und Verhandeln erhalten wie der Reichtum.

Die Tugend des Sichbeweisens ist zur politischen Tugend nicht geeignet. Solidarität, fürsorgliches Handeln, achtsames auf gleicher Augenhöhe Kommunizieren, eigener Weg. Das könnten Tugenden sein, die den dreien: ELF entsprechen und weiterhelfen.

Donnerstag, 1. Februar 2018

Blumen des Bösen, Früchte des Zorns

Dr. Smircs wundersame Erscheinung

Er zerrt an den Noppen der Gummizelle und flüstert:
"Der Pfarrer von Wakefield sagt, die Rente sei sicher. Dann fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: er befindet sich im Vorzimmer der Casting Show.

Der Clown bringt die eingeschleußten Hools zum Johlen. Die Bestie reißt den Rachen auf. Unter einem ungeheuren Hintern knackt die Republik. 

*

Leben unterwirft nicht, es öffnet sich wie eine Blume. Marianne Faithful geht durch das tiefe Wasser, um zu Dir zu kommen. (Die Texte sind von Cave und Mc Rae).

So sehnte und sehne ich mich nach Euch.

*

Aber da sind auch Not der Armen und Herrschaft der Reichen. Konzentration der Langeweile und des krassen Spiels mit dem Schicksal, Auftürmen des Elends, Ertrinken im Meer der Gleichgültigkeit. 

Wie kann ich schlafen, wie lieben?

Die Braven werden eingelassen. "Wollt Ihr uns auch beschützen? Wir bezahlen unseren Türstehern, was sie an Waffen und Betriebsfeiern brauchen. Hier, ein Bauplan für das Kastensystem."

Die Heuchler am Nasenring. "Hier, rote Kappen, soviel Ihr wollt! - Obwohl, das wird Euch nicht mehr ! Sie glauben Euch nicht mehr. Die Stimme des Ich - Ich lässt sich mit Kulturschmier nicht heller machen."

Was sind die Blumen des Bösen gegen die Früchte des Zorns?

Das Geheul der Hools wird stärker. Man wird unruhig. Man schließt die Fenster gegen die Angstschreie der Abrutschenden. Das Seufzen der unteren ist nicht mehr zu hören. Es knirscht unter den Kellern. Die Orks nehmen Aufstellung an den Türen.

*

Life opens like a flower.
I'm walking through deep water, trying to get You.

Mitten in den Wirbeln von Leben, in all dem Elend, Freude und Tod suche ich Dich!"
*

Dr. Warnix, Psychagog und eingeflogener Dschungelcamper überprüft den Sitz der Zwangsjacke. "Oh, Jacko Iwanowitsch, wie gerne würde ich Dir heraushelfen! Aber schau: Dr. Seltsam meint immer noch, Du seist nicht recht bei Trost. Und Gegen das Urteil der unbarmherzigen Fünf kommt ein Normbürger nicht an."

Gott von ferne: " So hab ich mir das mit der Evolution nicht vorgestellt!" Weinend ab.

Die Blume öffnet sich.
Eine Frucht fällt ab.

1.2.2018