Montag, 14. März 2016

Ich

Wenn das Ich-Ich zur Herausbildung neuer Filzbindungen führt, wird der Ruf des Ich-auch zum Ich-zuerst.

Von den Linken zu den Rechten, das ist nicht neu.

Das Ich-auch kann vom Wir unterstützt werden.
Das Ich-zuerst ist dem Wir zuwider wie das Ich-Ich.

Nun könnte Einer sagen: "Nicht Ich-zuerst, aber Wir-zuerst!!" Und das wir zuerst ist doch kein Ich!

Doch: Die Bündelung des Ich-zuerst bleibt Ich-zuerst auch im Wir.

Anders als das Wir enthält das Zuerst den Ausschluss jedes anderen wir!
Sein Ursprung ist das Ich, nicht das Wir, das mit dem Zuerst! Nichts, aber auch gar nichts anfangen kann...

So kann "Wir sind das Volk" heißen, "Wir sind nicht Knecht" oder "Das Recht geht von uns, nicht von Euch aus!"

Es kann aber auch das Wir-zuerst meinen: Wir, nicht sie haben den Anspruch auf Freiheit, Gleichheit, Solidarität...

Die Republik ist eine Sache des Bekenntnisses zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Wer sich höher stellt als seinen Bruder, verleugnet die Republik.

Montag, 7. März 2016

Ich zuerst

Unwirsch, Alc, Megäre,

Die Wiederholung der Wiederholung.
Der Kanal läuft über,
auch weil das Privileg zu laut das Wort verkündete: Geld stinkt nicht.
Aber Elend verschweigen, leugnen, verachten geht in die Sinkkästen.

Wir haben es doch alle zehn Jahre, dass die Verlierer der Win-Win-Situation sich ausreichend verspottet fühlen, um ihren Hass gegen "die da oben" herauslassen zu müssen. So lange sie ja nur auf die Ohnmächtigen einhassen, deren Beschützer sie eigentlich meinen, schert sich kein Privileg um Richtigstellung. Nun ist der Fehler passiert, dass sich die Bundeskanzlerin für ein menschliches Zeichen gegenüber den Verhassten stark gemacht hat. Das bedeutet aber für die Hasser eine direkte Konfrontation mit dem Kardinalwert des Ich-zuerst.

Wie die Verspottung der Armut in der Hartz IV-Wende der SPD ein jahrzehntelanges Tief an Vertrauen bescherte, so kann hier ein Bekenntnis zum Anstand, der das Grundgesetz ernst nimmt, zu einer anhaltenden Krise der Republik führen. Dort wurde die gesellschaftliche Solidarität mit betriebswirtschaftlicher Routine ausgekehrt, hier geht dem Underdog anlässlich des ausbrechenden Mitleids für die, die seiner Meinung nach unter ihm zu lagern wären, auf, wie wenig man sich um ihn bekümmert zeigte. Gescheiterte Karrieristen, belächelte Halbphilosophen, übersehene Narzißten, still gelegte Beamte, Buchhalter des Unwichtig vereinen sich im Haß auf die von Leben und Profit Begünstigten, die achtlos an ihnen vorbei konsumieren.

Wer stammt nicht von Armen ab? Auch unter uns armen Leuten des Nachkriegs war klar: ein Benachteiligter muß weder neidisch noch schäbig noch kriminell werden. Und auch das gehörte zum Anstand: Betroffene nicht dem Haß aussetzen. Kirchen und Konservative versuchten da beruhigend einzuwirken, Gewerkschaften und Sozialdemokraten waren etwas aktiver in Richtung Solidarität mit Verlierern und Ausgestoßenen.

Am Stammtisch aber galten Alc, Unwirsch und Megäre als die wahren Vertreter der Volksmeinung. Die Aversion der Anständigen unter den Mißachteten richtete sich damals in wirksamem Umfang gegen die Projektemacher des Hasses. Anständige Leute hielten sich von jenen fern. Heute fehlt es an solidarischen Bürgern, die eben dem anständigen Teil der Beleidigten argumentative Hilfe leisten. Man ist zu sehr mit dem Eigenen beschäftigt.
Was den Zyklus des rechten Aufbegehrens betrifft, ahnt mir ein Zusammenhang mit den Fälligkeits-Zyklen der Bausparverträge, die den privilegierteren Teil der Bevölkerung wieder von den allgemeinen Sorgen ab- und den eigenen Plänen zuwendet. Vielleicht ist es diesmal sogar mehr als sonst ein - allerdings reales - Problem der Finanzdepression von Unwirsch-Senioren.

7.3.20169

Dienstag, 1. März 2016

Warum ist westliche Bildung Sünde?

Warum ist westliche Bildung Sünde?

Zum ersten Mal in diesem Jahr scheint die Sonne wie warm. Aus den noch kleinen Knospen scheint mir ein Duft von auf gehender Erde zu kommen. Eine angenehme Täuschung. Erinnerungen überwältigen alle Phantasie. Vor Kurzem erschien mir Erinnern wie eine fast tödliche, staubtrockene Berührung der Seele und Phantasie als Lebenselixier. Jetzt entfalten mindestens fünfzig Frühlinge ihre Freude in mir.

Warum ist westliche Bildung Sünde?

Okonkwo, die Hauptfigur in Chinua Achebes Romanrevolution zu Afrika, geht neben mir. Was wollen die? Das sind doch so wenig Afrikaner wie der weiße Commissionar (klingt nicht das üble Wort Missionar mit in der Bezeichnung eines Unterdrückungsinstruments?). Sie haben keine Wurzeln in der Erde unserer Vorfahren. Was verbindet ihre Herzen mit dem Geschehen der Zeiten?
Das sind doch haltlose Gestalten mit dämonischen Wünschen der Herrschaft und des Mordens. Auch sie reden von Frieden und zerstören, was zwischen Menschen ist und das Leben erst zu einem Wert macht.

So etwa würde er wohl reden, vorausgesetzt ich habe den Roman recht verstanden. Ich höre kein Kind durch die Gärten springen, kein Jauchzen und Lachen, kein verschwörerisches Flüstern und Kichern. Die Ideologie, die sich die Fortführung der westlichen Vorherrschaft in der Welt erhofft, wenn nur allen über stundenlanges Lernen lebenslange Uniformität des Denkens in leblosen Zusammenhängen antrainiert wird, ist nicht viel besser als die vom hirnlosen Dahindämmern in einer Herrschaft des Zwangs. Selbstdenken ist beiden Erwartungen zuwider. In diesen Welten gibt es keinen Frühling und mit singenden, springenden Kindern können sie so wenig anfangen wie mit weinenden.

Dieses westliche Denken ist allerdings ohne Wert, abgesehen von den Vorteilen aus hingebogenen Leistungsnachweisen für die Kinder ohnedies privilegierter Eliten. Aber das Denken von der Person aus, das zufällig im Westen zuerst zur Blüte gelangte und sich auch hier immerwährend wehren muss, ist Wert. In Religionen gibt es einen Beschützer des Werts der Person. Vernunft hat nichts dagegen, auch wenn sie in manchen Ausprägungen meint, dergleichen nicht zu brauchen. Ihr geht es mehr darum, eine möglichst von Herrschaft freie Selbstregierung der Person zu halten.

So frei gegenüber den Tabus der Religionen ist Vernunft allerdings nicht. Sie selbst hat auch große verschlossene Räume wie die Regionen Vertrauen, Liebe und Menschlichkeit. Eben dort, wo Glaube das einzige unter den ungenügenden Instrumenten ist, das einen - wackeligen - Halt gibt.

Natürlich ist Bildung nicht Sünde. Kein Gott braucht ein Klima der Verblödung. Aber auch Bildung kann ein Weg zur Verblödung sein. Pisa ist einer der bekannten Wegweiser.

Mein weiser Freund Richard Weber schickte seine Schüler bei solchem Wetter in die Gärten und bekam zum Dank von aufgeklärten Kollegen spöttische Kommentare. Bildung und Politik kommen kaum zusammen. Denn Bildung als Erwerb von Wissen betrieben ist Ausdruck der Befreiung der Person.

In diesen Gärten jubeln die Vögel ohne das Echo aus einem See von Kinderfreude.