Über
Reue - 1989
Über
Tschäpe 2016
Nicht
Ihr seid, sondern sie waren Täter, Bejubler und Profiteure von Tätern. Wo sie
nicht bereuen ist Entschuldigung Ausrede, Bekräftigung des Verbrechens.
Außerdem aber der Versuch, die nicht schuldigen auf ihre Seite zu ziehen,
schuldig zu machen der Verzeihung anstelle der Opfer. Niemand als sie hat das
Recht der Begnadigung. Wer es ihnen zu nehmen versucht, bestätigt den Triumph
der Tat über das Gewissen, jene letzte Barriere gegen die Unmenschlichkeit.
Wir
sind nicht so, wie sie uns unterschieben wollen. Und ob wir je so handeln
werden und gar so ohne jede Reue, das muß sich erst zeigen! Dazu werden wir
unsere Taten an ihren prüfen. Sonst wären wir wie sie uns haben wollen: wie
sie.
„Ärzte
im Dritten Reich“ von Robert Lifton: Dort gab es alle Sorten Charaktere, aber
auch den alles entscheidenden Unterschied der Tat, welcher der Täter sich
entziehen kann, sei er danach auch Opfer. Nur wer nicht sehen will, kann sich
seiner selbst sicher sein – die Täter sind es bis heute. Ob wir selbst Täter
sein können, wissen wir nicht. Wohl aber, daß wir es nicht sein wollen. Anders
als jene, welche Täter sein wollten, was ihr Mangel an Reue beglaubigt.
Ich
habe mit manchem zu tun, durch den ein höherer Wille durchrutscht wie in einen
SS-Automaten. Auch der „nur“ Ausführende ist Täter.
Das
Leben bleibt eine mißliche Sache (Schopenhauer), die durch Nachdenken nicht zu
ändern, nur zu begreifen ist. Und so finden die Menschen und die, die es
bleiben wollen, keine Ruhe, auch nicht über sich selbst. Was bleibt, als dies
anzunehmen?
Zum
Jahreswechsel Jan 89
*
Heute,
mehr als 20 Jahre später unterstreiche ich die Grundaussage.
Wir
hatten Glück und kamen nicht an die Macht und Verlegenheit, unsere
Selbstgewißheiten prüfen lassen zu müssen. Abwiegelung Pol Pot, klammheimliches
Lächeln sind nicht Zeichen moralischer Festigkeit. Was wir beweisen können, ist
Reue über solches Tun, Unterlassen, Urteilen oder Loben.
Aber
wir wurden mit Glück und eigenem Zutun
nicht Täter. Die andere Seite von 68 – all
You need is love- half.
Seither
bin ich von meinem Täterbegriff abgekommen. Die Vorstellung, Täter zu sein,
geht traditionell mit der zusammen, „durch und durch“ Täter zu sein. Ein Ich
kann man danach nicht ändern, bestraft wird eine vom Menschlichen abweichende
Seele.
Ich
habe bei mir erfahren, daß meine Taten, zwar gewollt waren und nach der
Motivationslehre praktischer Philosophen, im gleichen Fall genauso wieder getan
werden würden, aber der Gedanke, daß ich bei klarem Verstand und zur
Barmherzigkeit zurückkehrendem Herzen dies nicht gewollt noch getan hätte, half
mir dabei auch nach außen hin zu bereuen, ohne mich insgesamt als Person
verabscheuen zu müssen. Denn ab jetzt war es ein anderer Fall!
Die
Tat, so gering sie war: Das, was ich und wie ich wollte, zu verurteilen, ließ
mir die Möglichkeit, mir für die Zukunft eine andere Haltung fest vorzunehmen.
Und dies half tatsächlich im einen oder anderen Fall den Motiven „berechtigten“
Zorns das Motiv der Zurückhaltung aus schlechter Erfahrung erfolgreich entgegen
zu setzen. Und die Reue über die Tat, das zu spät eintreffende Mitleid, konnte
im einen und anderen Fall sogar von manchen Verletzten angenommen werden. Wo
dies nicht geschah, bleibt die Erinnerung ein Stachel.
"Es
war ein Fehler" ist nicht: "Es tut mir leid!" Viele Terroristen
der einen oder anderen Seite entschuldigen sich mit "Irrtümern". Es
braucht keine Entschuldigung, sondern den Schmerz des Mitleids, das allerdings
zu spät zur Abwendung der Tat kommt. Wer will dem Täter glauben, der auch jetzt
keinen Schmerz empfindet.
Mit
Erkenntnis des Falschen kommst Du zur Tür. Ohne Schmerz kannst Du sie nicht
öffnen. Ob Du Verzeihung bekommen kannst, musst Du fragen. Die Antwort kann nur
das Opfer geben. Ist sie oder er tot, kannst Du Verzeihung nicht mehr bekommen.
Vielleicht können die Angehörigen Dir ihre eigenen Verletzungen vergeben.
Und
Du, mein Freund, ich bitte Dich: verzeihe Du nicht, was nur ein anderer, eine
andere vergeben kann.
14.8.2016 Klaus Wachowski