So eine Art weiße Orks.
Das ist also nicht kollektiver Freizeitpark, den der
konservative Politiker Helmut Kohl als gräßliches Gesellschaftsmodell an die
Wand malte, sondern der gute alte deutsche Menschenpark nach Hitlers
Zuchtvorstellungen. Das durch die Zeiten hetzende Wolfsrudel (so ungefähr Hannah Arendt.)
Dazu die FAZ:
Michel Houellebecq entwirft zwei Lebensläufe am »Ende
der alten Ordnung«. >Elementarteilchen< ist ein moderner Klassiker, der sich gegen die Moderne wendet — ein visionärer Gesellschaftsroman,
nüchtern-sachlich und zugleich voll Melancholie. >Eine Abrechnung mit
dem modernen Menschen < (Auf der Rückseite der Taschenbuchausgabe)
„Der verschwommene, willkürliche Charakter dieser
Begriffe (Freiheit, Würde und Fortschritt wac) sollte natürlich dazu führen,
daß sie nicht die geringste soziale Wirkung hatten — und daher läßt sich die
Geschichte der Menschheit vom 15. bis zum 20. ]ahrhundert unseres Zeitalters im
wesentlichen als die Geschichte einer Auflösung und eines allmählichen Zerfalls
charakterisieren...“
Philosophisch, politisch nicht gerade erfahren. Die
Begriffe Freiheit und Würde gehören doch in eine andere Kategorie als die des
Fortschritts. Sie bezeichnen Werte, für die das bürgerliche Selbstverständnis
kämpft und auf die nach der Revolution die Republik aufgebaut wird, während der
Fortschritt einen Stand der Dinge bezeichnet, der von allen möglichen
diskutierbaren Werten und Unwerten her gesehen zurückgelegt wurde. Ja die
Sphären der Begriffe widersprechen nahezu einander: Freiheit und Würde richten
sich auf Betrachtung von Person und Personen, der Fortschritt wird regelrecht von
über die Person hinaus planenden, regelmäßig irren, Ideologen angemahnt, die
Person nicht kennen wollen, weil ihr Bild von der Welt die Masse Mensch
braucht, in der die Person aufgelöst ist und der Führer rührt, um seinem
Blutbeton eine bewunderungswürdige Form zu geben, ohne zu begreifen, dass zur
Bewunderung auch ein Bewunderer aus eigenem Fühlen gehört, das er ja nicht
erträgt.
In dem Buch wimmelt es von Petitessen gegen die
Vorstellung eines Ich und immer wieder scheint die mythische Einheit eines
Menschheitskörpers, der am zerfallen ist. Erinnert jeden, der Nazis kennen
gelernt hat an die irre Begrifflichkeit des Volkskörpers. Und der zum
tausendsten mal beschworene Untergang des Abendlands in Form der
"westlichen Werte", zu denen er eben nicht Würde und Wert des
Einzelnen zählt, sondern eine nicht näher bezeichnete "westliche"
Wichtigkeit, darf nicht fehlen.
Warum fällt die Intellektuelle Welt auf so ein gehoben
schwadronierendes Ekel Alfred herein, einen Sarrazin der Begriffsblasen?
Heidegger hat sich besser getarnt, Jünger deutlicher gehetzt. Es muß der
pornographische Anteil des Romans sein, der ja auch dem Intellekt die Wurzel
zieht. Literatur als Wellnesszone RTL II. Nietzsche hat es klüger mit
romantischer Klangmalerei versucht.
Warum ich vermute, dass er nicht mit der Strassenbahn
fährt:
Er hätte ein Gefühl dafür entwickelt, wie alt er ist.
Er hätte etwas absehen von Wichtigkeit gelernt.
Das Streben nach heiliger Reinheit wäre stark in den
Hintergrund gerückt.
Einsamkeit, Bedarf an Sex, hätte sich in der
Wirklichkeit eher als in einer
übersteigerten Phantasie ausgelebt.
Zu wenig Kontakt mit der Wirklichkeit in der
Gemeinschaft zeugt egomane Macht- und
Gewaltvorstellungen. Er muß an der Oberfläche bleiben, das Pathos von
Liebe und Schmerz vermeiden. Es könnte ihn hinunterziehen in eine Sphäre, in
der Halt nur schwer zu erreichen ist. Und er würde sich möglicherweise
lächerlich machen wie ein Reimeschmied oder Wagner (ich denke dabei kritisch an
eigene Peinlichkeiten). Das hat er vermieden und ein buntes, späteren Lesern
langweilig konstruiert vorkommendes Politrauschen hinausgeschickt. Es hat
gewirkt. Peinlich das Lob der FAZ, die doch einst im Feuilleton manchmal Kopf
hatte.
*
Schließlich die andere Seite des Lebens: Leiden. Wie
sein vermutliches Vorbild zur Ruhmakkumulation Nietzsche leugnet und vermeidet
er die Berührung mit diesem Thema. Die neue Spezies bade in einem unendlichen
Wohlsein. Wellness Ewigkeit, Paradies. Dies also wäre Leben?! So ists denn doch
nur ein schlaffer Schlaraffe, aus dem sich schließlich ein zu Tode gelangweilter
Ork schälen muß...
4.10.16