Sonntag, 31. Oktober 2021

Sokrates

Früher sagte ich mir: 
Ich weiß, dass ich nichts weiß, das aber sicher.
Heute: 
Ich weiß, dass ich nichts weiß, und das nicht sicher.

Freitag, 29. Oktober 2021

Erdbeeren und Bomben

Erdbeeren zum Bombardement.

In der sz meint Jörg Magenau am 28.10. über die Briefe zwischen Ernst und Gretha Jünger:

"Nachdem bei Gretha 1957 ein Unterleibskrebs diagnostiziert wurde, an dem sie im November 1960 starb, litt er heftiger am Dasein als die todkranke Frau. ..Ernst Jünger in Paris , wo er zum militärischen Führungsstab gehörte.

"Für mich ist nicht der Krieg das eigentliche Problem", schreibt er, "sondern die Aufrechterhaltung meines geistigen Standards". Die Flugzeuge, die er am Himmel über Paris beobachtet, waren für ihn vor allem ein ästhetisches Phänomen. Ähnlich wie in der berühmten Burgunderszene in seinen Tagebüchern, wo er mit einem Glas Wein in der Hand, in dem Erdbeeren schwimmen, die Bombardements vom Dach des Hotels aus in demonstrativer Dandy-Pose beobachtet, schreibt er auch an Gretha: "Ich sah Flugzeuge wie goldene Feuerkugeln langsam zu Boden schweben, andere kreiselten wie Blätter herunter, und wieder an anderer Stelle stürzte ein einzelner Flügel herab. Das Schauspiel war schön und zugleich voll dämonischer Schrecken." 

Die Ästhetik der Küchenschabe zum Gesang eines Nero.

Erinnert das niemanden an die olfaktorischen Betörungen des sinnierenden Handke durch eine serbische Erdbeere bei Srebrenitza?! Gehören literarische Kaltschnäuizgkeit und Erdbeeren zusammen zu eine gewissen Vorliebe für Paris? 

Mein Beziehungswahn ist unaufhaltsam auf Spurensuche. Als ich in Aix en Provence davon höre, daß auch das Huhn, daß goldene Eier legte, von Erdbeeren dichtete, ein Ästhet der kolorierenden Sorte, muss ich mich berichtigen. 

Auch er hatte nichts mit Mensch und Welt am Guru, war aber durchaus wenigstens verlieblicht, sehnsüchtig nach einem Wir, sodass ich seinem Ruhm eine gewisse Berechtigung aus dem Echo berührter Sehnsucht zugestehe. 

 Aber Wahn der Geste, Gleichgültigkeit gegen Leid: Was lese ich in Wikipedia? 

„Im Januar und Februar 1926 schrieb Rilke der Mussolini-Gegnerin Aurelia Gallarati Scotti drei Briefe nach Mailand, in denen er die Herrschaft Benito Mussolinis lobte und den Faschismus als ein Heilmittel pries. Über die Rolle der Gewalt war Rilke sich dabei nicht im Unklaren. Er war bereit, eine gewisse, vorübergehende Gewaltanwendung und Freiheitsberaubung zu akzeptieren.“ 

Was die beiden Erdbeerlutscher von Chitin und Beton und der Lust hoch über Katastrophen betrifft, so verstehe ich eine Feuilletonie nicht, die den Zikadengesang der ästhetischen Gefolgschaft angesichts menschlichen Leids nicht verstummen lassen will.

Poser, die Poeten spielen.

Genießen Im Angesicht des Leides. Epikur? 

Etwas Stoa könnte helfen.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Republik Marseille

Republik in Marseille

Ich höre die Möwen .

Die Franzosen hatten 200, die Deutschen gerade mal 15 Jahre Republik. Generationen waren aus der Sehnsucht nach, in das Vertrauen auf die Freiheit hinein gewachsen,  in das Vertrauen auf die ursprüngliche Gleichheit im Recht und in das Füreinander Einstehen.

In D war es noch weit, hoffte man noch auf Napoleonen, Cromwells, Führer von höherer Berufung, die einem die Sorgen vom Hals nehmen sollten. Wie alt sind die Republiken Polen und Ungarn!? Die Freien und die ehrlichen Herzens Bekennenden sind noch ein kleines Häuflein. Aber es gibt auch da immer mehr junge Sehnsucht und bessere Erfahrung gegen die stramm und weich gerührten Braven in der Menge.

In jeder Republik gibt es Bürger, die sich in ihrem privaten Leben wohl genug fühlen und ihr höchstes Glück darin finden, in Ruhe gelassen zu werden und in ihrem kleinen Kreis Herrscher zu sein oder Knecht, Herrin oder Magd. Auch in den bewährten Republiken fallen sie gerne auf Populisten herein, die raschen Wohlstand oder einfache Rezepte gegen die Not
verkünden.

Du, der und die Du den Wert der Republik erkannt hast und sie in Dir trägst, vertraute darauf, daß in Zeiten der Not die Glut in den andern nicht erlischt, sondern wieder zum Feuer der Freiheit entfacht wird.

Sollte dem nicht so sein (das mag Dir eine irrende Wahrnehmung nahelegen), so ist es doch in Dir.

24.10.2021 Klaus Wachowski 

Dienstag, 19. Oktober 2021

Die Ewigkeit ist ihre eigene Kläranlage

Petrarca pinkelt in das azurne Wasser des Quelltopfs von Vaucluse. Die Sorgue trägt es fort. Wo ist die Spur?

Freitag, 1. Oktober 2021

Das Volk

Für Marc Aurel (den Imperator mit der Sehnsucht nach der Republik).

Es ist der Schwarm, aus dem ich komme und in den ich gehöre. Ein überwältigender Teil davon, möchte seine Ruhe haben, seinen Lebensunterhalt erwerben, die Familie und das Leben genießen. Störe es und Du bekommst die Macht des Spießers zu spüren. Aber es möchte auch nicht in die Hektik von Experimenten oder Kriegen gehetzt werden. Schafft es Einer, dann wirft es seine Würde und seinen Anstand weg und macht jede teuflische Aktion mit, die die "Populisten" von ihm verlangen. Krieg, Lynchjustiz, unbarmherzige Unterdrückung.

Auf das Volk kannst Du Dich also so wenig verlassen wie auf jede andere Person. Es hilft Dir nichts als die eigene Vernunft und die Übereinkunft mit anderen, von der Vernunft geleiteten Personen.

Das Volk in Polen, in der Türkei, Russland und Ungarn und in vielerlei anderen Räumen hat sich dazu verleiten lassen, die Republik in eine Parteiherrschaft zu stürzen, die Unabhängigkeit der Justiz zu opfern und das Recht der Person auf Selbstbestimmung zugunsten einer süßlichen Vorstellung vom guten und heiligen König aufzugeben. Man lebt in einem romantischen Märchen und hat das Maul zu halten.

Was kann die aufgeklärte Person tun, die unter dem Eisenreif der Verbote, frei zu denken und gemeinschaftlich zu handeln, mehr leidet als das sich selbst ins Gefängnis setzende Volk?

Was schon immer die Revolutionäre, die Gründer und die Getreuen der Republik zu tun versuchten: anklagen, nicht gehorchen, wo es geht, mit den Nachbarn und Nachbarinnen reden und den Wunsch zum Umsturz und zur Rückkehr der guten Verfassung frisch zu halten. Sei gewiß: Du bist nicht allein und: die künftigen Generationen schauen auf Dich.

Es gibt viele Völker, die unter dem Einfluss von lügenden Populisten und gewalttätigen Führern ihren angeborenen Wunsch zum Bekenntnis freier Republik weggeworfen haben und wegwerfen werden. Deine Entscheidung ist: der Natur folgen oder dem Wahn von Herrschaftsinstinkten.