Donnerstag, 15. Oktober 2020

Heinrich Mann zur Wahl des Grossmauls Gottes Trump

Heinrich Mann in der Zeitschrift seines Neffen Klaus "Die Sammlung"

Das überstanden Jahr

Im Jahre 1933 hat die Diktatur wieder Fortschritte gemacht in dernWelt. Der sichtbarste ist diesmal die sogenannte deutsche Erhebung,
indessen ist auch sie nur eine Haltestelle auf dem Schicksalswege all der erwachten Nationen, starken Regierungen, Aufhebungen der Freiheit. Schwächungen des Denkvermögens, Beseitigungen der Charaktere. aber auch der ungehemmten Rauschzusténde und der morphinistischen Tatkraft. Das kann so weitergehn, muss es vielleicht sogar. Hoffentlich überwiegen die gesunden Widerstände, aber es könnte allerdings beschlossen sein, dass eine gewisse Unzuverlässigkeit der Menschennatur die Runde um die Welt machen soll, bis sie sich liberal ausgelebt hat. Zuerst sagen die v0n ihr befallenen jedesmal: "Der Fascismus ist kein Exportartikel” Oder wörtlich ebenso: "Der Nationalsozialismus u.s.w.” Nachher stellt sich heraus,dass er grade das ist, dass jeder es vom anderen bekommt und dass keiner seine Errungenschaft für sich behalten kann. Übrigens wissen die ersten Diktaturen nicht recht, wie sie die nachfolgenden aufnehmen sollen. Sie sind geteilt zwischen dem Wunsch, die einzigen Erwachten und Erhobenen zu sein — und dem Drang, andere anzustecken.

Samstag, 10. Oktober 2020

Corona und Kunst

Frauen und Männer des Gesetzes verlieren ihre Stimme. Die Bürger verwandeln sich zurück in die als "Volk" bezeichnete Verfügungsmasse. Die Gewählten werden zu Führern, nicht wenige mit dem Drang zur Herrschaft, das Volk verstummt oder brüllt im Drang zur Gefolgschaft, der Rat von Beratern verdrängt die Korrektur durch das Parlament. Die Person verschwindet aus der Welt, aus den Medien, im Gefängnis der Übereinstimmung der Gruppengemeinschaften, die den Krieg gegen den Tod oder den gegen die Vernunft führen.

Die Würde des Menschen wird durchaus antastbar in einer Zeit der wertvolleren und weniger wertvollen Leben.

Gibt es eine Lösung? Wohl wie überall, wo das Ich sich in der Angst, im Hass und in der Gier, im Wir aufzulösen anschickt. In der Selbsterkenntnis nach Kant und/ oder über Gott - Besinnung auf das Person- sein.

Daher kann die Person und ihr Abbild, die Republik und die Kunst im Krieg und in der Not nicht gedeihen, singen,schreiben, malen: dies ist die Zeit der Führer, Herrschaft und der Gefolgschaft. Zeit der Lemminge.

Auch Opposition gibt es nur, wo Krieg und Not des Menschen enden: Krieg durch den Aufstand der Friedfertigen, die Not durch ihre gemeinschaftliche Anstrengung. Da liegt der Unterschied: Dort musst Du Dich als Mensch erheben, hier musst Du Teil der Menschheit bleiben.

Im Krieg bekämpfe den Krieg, in der Not die Not!

Es bleibt dabei in Not und Krieg finden sich keine Worte der Kunst, kein kreatives Werk. Vom Geschwätz der bekannten Giganten einmal abgesehen.