Sonntag, 15. Januar 2023

Richtige Philosophie 2012

Unterschiedliche Denker finden unterschiedliche Philosophien "richtig". Wer wohl "Recht behalten" wird? Angesichts des Umstands Vergänglichkeit ist die Antwort auf diese Frage nicht von besonderer Wichtigkeit. Angesichts der Erfahrungen von Liebe, Einsamkeit und Verlust verliert sie noch mehr davon.

Wenn ich aber "verstehen will", wie Hannah Arendt ihr Lebensmotto beschrieb, ist es für mich schon wichtig, was denn das Leben ist, das man mit dem Begriff Welt zu erfassen versucht.

Meine "richtige" Philosophie wächst aus den Fragen des Jungen am Bach, zu dessen Füßen die Zeit vorbeifließt und um dessen Kopf die Blätter in den Strahlen der Ewigkeit aufleuchten, in dessen Herz aber eine unverstandene Sehnsucht und Einsamkeit zieht.

Dies alles also darf ich erleben. Dies alles also werde ich verlieren. Bin ich in einem Traum? Ist es denn wirklich, wenn es doch so schnell vorbei geht? Und was ist es außer einem bloßen Schatten eines Unbekannten auf der Leinwand meines Sinnenapparates?

Bin ich die Welt? Bin ich ein Nichts in der Welt? Und die Liebe, diese unbekannte Gewalt, die Eifersucht und der Hass, welche Bedeutung erhält die Welt, das Ich, die Wirklichkeit oder der Traum genannt Leben durch sie?

Meine "richtigen" Philosophen haben ernsthaft versucht, solche Fragen zu beantworten. Und sie haben ehrlich zugegeben, das, was die Welt ist, vermuten aber nicht wissen zu können.

Nach Schopenhauer ist die Philosophie wieder in ihr Kindheitsstadium zurückgekehrt. Kurzdeuter wie Nietzsche, Wortverdreher, Spieler und Köchler von Begriff und Erscheinung haben den schmalen Pfad der Fragen zur Erkenntnis verlassen, um auf der breiten Straße der interessanten Geschwätzigkeit Unterhaltung zu betreiben. Das beschäftigt den Kopf ohne die Gefahr, den Schleier vor dem Anblick von Tod, Ewigkeit, Vergänglichkeit und Verlust wegzuziehen. Aber der Junge am Fluß sieht die Schönheit, spürt das Glück,  leben zu dürfen und den Schmerz, sterben zu müssen, oder den Schmerz, leben zu müssen, und das Glück, sterben zu dürfen. Mit den Spielphilosophen kann er sich gut amüsieren. Aber mit wem kann er "richtig" reden?

Es geht um verstehen, spekulieren und glauben. Du kannst ebenso mühsam den schmalen Weg gehen wie die Philosophen und ebenso leicht den breiten wie die "Spaaßphilosophen" des Schopenhauer.

Dienstag, 10. Januar 2023

nicht gelesen: Hamsun

Nicht gelesen:

Besprechung von Nazi- Hamsun in volltext 4 2022.

Gelesen: Wiederbegegnung mit Knut Hamsun, Klaus Mann 1937. Erwähnung von Blut und Boden und widerlicher Bemerkung über Ossietzky im KZ.

Nichts gefunden nach 1945er Hitler-Eloge Hamsuns bei Hannah Arendt, Klaus Mann.

Was lockt die neuen "Objektiven" - selbst nach Auschwitz?

Mittwoch, 4. Januar 2023

Philosophisches Tagebuch zu Engels

Zu Engels

Ein Freund hat mir den Engels "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" geschenkt. Mit 72 habe ich natürlich eine andere Beziehung zu dem Vordenker des Sozialismus als der Zwanzig -, Dreißigjährige in der 68er Zeit. Inzwischen vermute ich stark, dass das Scheitern der linken Projekte in staatlicher Form auf einen grundsätzlichen Denkfehler im Politischen zurückgeht, neben der Uniformität, die jede Ideologie, nicht nur die religiösen, ausmacht und unerträglich. Ich habe keine Lebenszeit noch Energie mehr, allen Verästelungen des ideologischen Gewebes nachzuspüren, wo reale Menschen mit ihren Füßen angestimmt haben, möchte aber für mich klären, was an meinem Vorbehalt richtig ist.

Dazu einige Gedanken:

Weil sie bei Hegel studiert haben, gaben wir Marx und Engels das Vertrauen, bei ihren Äußerungen handle es sich um Philosophie. Nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus der Kadergesellschaften und der Lektüre Schopenhauers wurde mir klar, das es sich bei der „sozialistischen Wissenschaft“ eben nicht um Philosophie, also um eine Sache der Suche nach Erkenntnis überhaupt, sondern um Willosophie, Interpretation und Anleitung zum Handeln handelte, wie auf der Ebene der Egomanie des quasireligiösen Gurus Nietzsche.

Verschiedene Gedanken :

1.      Erfolg und Scheitern liegt in dem verkürzten Ansatz, nach dem „das Sein das Bewusstsein“ bestimmt. Dieser sollte eben das gesamte Sein, Denken und Handeln bestimmen, beeinflußte aber in der Folge lediglich das wirtschaftliche Handeln, den Kampf um die politische Herrschaft und die Unterdrückung von freiem Denken und Freiheit überhaupt.

2.      Ja es gibt das Bewusstsein des Schwarms und es ist nützlich, Klassenkampf als einen Ausdruck davon zu denken. Aber neben dem Kampf um die Herrschaft der Klasse bestimmen viel mehr und ganz andere Motive einzelne Menschen und Gemeinschaften. Ziel der Macht muss nicht unbedingt Gerechtigkeit, es kann auch das Privileg einzelner, einzelner Banden, uniformer Mehrheiten und irrer Massen sein. Darüber hinweg zu sehen, es nur von dem gedachten Punkt in einem Raum der Not aus zu interpretieren ist nicht „wissenschaftlich“. Da scheint mir die Erkenntnis der Hannah Arendt, dass menschliches Handeln endlich nie voraus berechenbar ist, was schon Sokrates zu zeigen versuchte, die Bewährungsprobe in der Realität eher zu bestehen.

3.      Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Wie geht es Dir, wenn X stirbt, wenn die Liebe Dich trifft? Menschen wollen nicht alle oder immer zum Sturm auf die Herrschaft gejagt werden.

4.      Bei allem Schwarmbewusstsein, das Dir sagt, dass du schon die Nächsten lieben sollst, bist Du nicht für alles verantwortlich, musst Du nicht alle Probleme der Menschheit lösen. Dann aber regle auch nicht alles! Du spürst es in der Erschöpfung und Du darfst ihr folgen.

5.      Der Blick in den Geldbeutel mag einiges klären. Er kann den in das Antlitz oder die Fratze des Menschen nicht ersetzten. Und es schadet nicht, ab und zu den Ruck-Zuck in die Hand zu nehmen oder das Bügeleisen. Und der, dem Obdachlosen einen Euro in die Hand zu geben.

6.      Es gibt kein Leben nach dem Tod? Gewaltige Erkenntnis! Aber vorher schon. Und für das steht Dir nicht das einzige Recht der Auslegung zu.

7.       Liebe, Trauer, Freude, Schmerz sind keine kleinbürgerlichen oder defaitistischen Bewegungen. Menschlichkeit ist nicht ökonomisierbar. Die Person ist nicht Masse.

8.     " Je mehr die neue Produktionsweise... zur Herrschaft kam, desto greller musste auch an den Tag treten die Unverträglichkeit von gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung."  Der so genannte dialektische Materialismus betrachtet also historische Vorgänge in ihrer ökokomischen Auswirkung. 

Inzwischen haben wirr die Erfahrung, daß die gesellschaftliche Aneignung auch im real existierenden Sozialismus eine Dauer Gleichheit und Gerechtigkeit so wenig garantiert wie seit den Urzeiten der menschlichen Produktion. Es kommt also wohl doch in irgendeiner Form auf gesellschaftliches und individuelles Wollen und Qualität an. Auf Einigung und Ansprache beim konkreten Handeln. Sowie auf die Nachkontrolle durch die Vernunft. Insbesondere mußte die Diktatur des Proletariats, die sich in kürzester Zeit in eine der Kader und Oligarchen verwandelte, wieder durch die Wertschätzung der Person abgelöst werden. Durch die Rückkehr in die Republik. 

9.     Vergiss die Leute nicht, die nichts wollen als leben, diese Welt, eine Familie, nicht einen Staat, gründen und in ihr, nicht in Euch leben wollen. Und Deinen Spekulationen nur zustimmen, weil uns wenn sie in Frieden gelassen werden. Und ebenso schnell sich wenden, wenn es bessere Aussichten und Versprechen gibt. "Spießer", eben auch Menschen, nicht weniger als Du und ich. (6.1.)

10.    Hier klar sehender Ökonom, ohne philosophische Verunreinigung: "So oder so, mit oder ohne Trusts, muss schließlich der offizielle Repräsentant der kapitalistischen Gesellschaft, der Staat die Leitung der Produktion übernehmen. Diese Notwendigkeit der Verwandlung in Staatseigentum tritt zuerst hervor bei den großen Verkehrsanstalten: Post, Telegraphen, Eisenbahnen." Ergänze: Internet. 

Kein Einwand von mir auch zur Forderung an die Produzenten, das Proletariat, sich die Macht über das übermächtige Kapital zu verschaffen. Es hat sie sich in fast allen "entwickelnden" Ländern verschafft. Es fehlt noch an ausreichender Kontrolle und Freiheit der Person..Was ja nur in der Auseinandersetzung der Republik möglich ist.


11.     Unser Fehler lag darin, Marx und Engels nicht kritisch zu lesen, sondern zu verehren und zu predigen. Wie andere Massenprodukte, Hitlers Kampf, die Bibel, Goethe (Bibel des deutschen Bürgers), die Judenbuche (des deutschen Lehrers stille Antisemitismuspostille) und viele andere "Erfolge" wurden auch Kapital & co mehr als Dope-Ersatz eingeworfen wie Wagner und heute ein Houellebeq. Die Wirklichkeit wurde entgegen allen "Erkenntnissen" auch der sozialistischen Wissenschaft vom Willen zu Herrschaft und von dem zur Befreiung regelmäßig aus der Not oder der Hoffnung auf Reichtum bestimmt. Wie wohl seither und künftig. 

12.     In uns wurde aus der Lektüre das Bild unausweichlicher automatisierter Bewegung erzeugt. Tatsächlich wird auch bei Marx und Engels nicht von der Ohnmacht der Person geredet. Sie hat aber -etwa nach 68- gezeigt, wie weit Spontaneität, Mut und Vertrauen ineinander fähig sind, scheinbar unausweichliche Geschehnisse zu verändern. Den Faktor Person haben die Ideologien nicht gesehen oder nicht gelten gelassen. Daran sind sie gescheitert. Auch die wissenschaftliche Form des Sozialismus. 

Beachte die Vielfältigkeit der Erscheinungen, der Persönlichkeiten und Motivationen, wenn Du aus der Wirklichkeit einen uniformen Vorschlag windest. Es gibt nicht nur den einen siegreichen Musk. Es gibt die vielen anderen ehrgeizigen Musks, die unterlegen auf die zweite Chance in anderen Banden warten. Es gibt wahre menschliche und mutige Helden auch in Deiner  Security und in den Hütten. Es gibt die Verbrecher und die Menschenfreunde und und und.

Und schau hier auf den Mann in der Herrschaft, dem sie zuwider ist:

Marc Aurel Buch 7, Absatz 34:

" Betrachte, von welcher Beschaffenheit die Gesinnungen der Ruhmsüchtigen sind und was sie einerseits meiden und andererseits erstreben. Bedenke ferner, gleichwie die früheren Sandhügel verdeckt werden, sobald neuer Sand über sie hingetrieben wird, so wird auch im Leben das Frühere vom Späteren bald bedeckt." (Reclam 1241)

Der Kapitalist Engels, der Mittelbürger Marx, der Kleinadlige Lenin, der aufgestiegene Prolet Stalin, sie alle haben ihre Namen für eine Sache hergegeben, die sie nicht kannten, folgt man dem Satz, nach dem das Sein das Bewußtsein bestimmt. Dies zu beurteilen ist wohl eher etwas, das in das Gebiet der Philosophie eher fällt als in das eines weit her vom Hegel gezogenen "dialektischen Materialismus". 

Aber nichts gegen Engels, alles gegen seine Verehrer*innen.

Sonstiges:

Der Glaube an die große Sache, der die Sorge um die kleinen Menschen auslöscht. Loyola, Luther, Che, Mahler, Breivig, Osama, Lenin, Mao, Pol Pot, Robespierre,