Montag, 1. März 2021

zwei lange Lappen aus der "Zeit"

Hast Du gesehn? Da unten liegen zwei Blätter aus der Zeit vom Dezember. Schon etwas brüchig und darüber ein Blättchen Kommentar eines gewissen Wachowski, auch nicht gerade aufreizend. Komm, da vorne eine Bank. Lesen wir uns den Spaß.

Schau an: Die Reminiscenz eines Alten auf die läppischen Reminiszenzen anderer alter Männer. Vorne an der Backfabrik treffen sie sich, die alten 68er mit den sogenannten alten 68ern von der Ahnungslosigkeit. Eigentlich gibt es da wenig zu lachen oder zu weinen.

Ich habe aber immer noch die Angst um die Jugend der Republik. Dabei läßt sie sich sicher nicht von abgehalfterten Wähnern und Tönern einseifen. Das war meine Generation. Die hier hat eigene Gurus.

Da ist H, Kolonialfranzose mit der Aversion des zu spät beförderten Buchhalters auf die sich zur Würde der Person bekennende Republik. Insofern viel Ähnlichkeit mit dem sauren Sarrazin im Schimpfen, mit Erdogan und Orban in der Enge der Vorstellung. Er hat offenbar seine Vorurteile auf den neusten Stand gebracht und legt sie Ein bisschen schlechter als Neue Interventionen auf.


Warum das liberale Blatt der „Zeit“ ausgerechnet zwei neoromantische Rafflesien aus den Mangrovensümpfen der Schmolliteratur vorstellt, Blech trommelnde Trumpisten des Ngo Ngo? Rafflesien haben etwas von Kulturblüte: Fliegen fangen. Er wird nach der Trockenlegung der Sümpfe mit ihnen seinen Golfplatz dekorieren. Dufte!

Das faschistische Modell besagt kurz: Machtergreifung durch eine Kameradschaftsclique, Beseitigung des Rechts, das von der Person ausgeht, Neuverteilung der Herrschaft, Vererbung innerhalb der neuen Dynastien, Betonierung eines hierarchischen Gesellschaftskonzepts, Anbetung des Ruhms der Helden, Maulhalten, Folter.

Die literarischen Protagonisten der guten alten Zeit verlegen sich da auf das Lob der guten Seiten, regelmäßig goldene Barockbommeln, gewaltige Hallen, Gedichteschmier im Bart neuer und uralter Heiliger. Man zapft von Weisheiten und klebriger Phantasie. Ewigkeiten en masse. Ein gewisser Mangel an Unendlichkeit lässt sich wohl gerade deshalb nicht verleugnen.

Der Mensch kommt, wenn überhaupt, nur als das störende Kind vor. Sie polieren fleißig die alte Weihe. Das Blut klebt aber an der Innenseite der Heckscheibe. Was würden sie tun, wenn plötzlich die Tür aufginge?

Ich sage: Nein!

Aber was hat das Liberale davon? Was fasziniert die "Zeit" an rechtsgewalzter Literatur, die vom liberalen Looser Nietzsche auf den sonst philosophierenden, in den beliebten Aphorismen aber oft unerträglich schwadronierenden, Rentier Schopenhauer gekommen ist, um etwas Seriosität über die Hektik zu hängen, um den flauen Schwulst den Schlips?

Ein Freund schenkt mir zwei lange Lappen vom Dezember aus der „Zeit“ über Houellebecq und Sloterdijk. Ein wenig Spaßärger in Zeiten des Aerosols.

Es ist wohl die Lust an Abwechslung, die dem saturierten Intellekt vom goldenen Berg den Spaß am Zwirbeldenken der Menschenwurstigkeit macht. Vernunft allein zeigt sich langweilig (Schopenhauer, Kant, Sokrates). Es gehört schon ein Schlenker im Denken dazu, zumindest eine wagnerianische Bommel, ein nietzschanischer Schnitzer, ein Jodeln von Ich- oder Wir-zuerst.

Aber doch bitte keine Werbezeitschriften, kostenlose Zeitungen oder Zettelgedichte! Keine Begriffs-Schläuche vom Zapfkönig der Weisheiten, keine Knallfrösche (Zeit zu H) vom Philoflopper. Das Hirn zudonnern mit der Dröhnung aus den Trögen des Mittelalters und Barock, an der sich schon die Romantik bis zum Rassismus besoffen hat? Pegida Goldstandard. Bitte nicht an Leser*innen der Zeit, die sich ihre Ewigkeit für die Zeit nach der Republik aufheben!

Noch ein paar schöne Zitate. Das muß dann mal reichen für einen Wochenendspaß.

Zu H. 3.12.20 Feuilleton:

Und erklärt sich vielleicht aus dem Glauben an die Wirkung seiner Gedanken Hs glucksende Frohgemutheit …? Zählt er sich wohl zu den Gewinnern der Geschichte?“

„Als .. er mit Elementarteilchen 1999 weltberühmt wurde, wollte sich keiner seinem Sexappeal entziehen…“

„… ein beherzter Kulturkämpfer..“ , „Disruptive Energien“, „Radikal aufrichtiger Autor“…

„H, dieser geniale Knallfrosch“, „Ein Kind unserer Zeit, verspielt und verwöhnt“


Den Verstand verwöhnt und verspielt hat hier Ijoma Mangold

 

Sloterdijk, alt gewordener Frontmann im Lodenmantel (ein gewisser Drang zu Heideggerschem Begriffeblasen und - rühren läßt sich nicht leugnen) am 3. 12. 20 in der Zeit:

Es sei die These gewagt, dass die Alte Welt ... sich seit dem 15. Jahrhundert in ein Laboratorium der Menschenformung wandelte, autoplastisch und heteroplastisch.“ ( schon damals Menschenpark?)

Als die aus der Mitte Vertriebenen heißen die Sterblichen Sünder; der essenzielle Vertriebenenverband nennt sich die christliche Religion.“ (Wallen und Schwallen)

wie sich Sünder zu Subjekten wandeln“ (meint: vom Gegenstand zum Ursprung von Recht, <Person>, Untertan zu Bürger)

Man möchte meinen, man lese den ersten Artikel einer Allgemeinen Erklärung des Komplexwerdens aller Dinge.“ (Es flirrt vor den Augen. Aber der bunte Schmetterling ist längst Raupe)

Fast 200 Jahre nach Schopenhauers großem Coup hat Gumbrecht, emeritierter Romanist aus Stanford international präsenter Frontmann ...“ (Fachmann versus Philosoph?!)

Zwischen Gracian und Schopenhauer liegt ein Abgrund, der die Kunst des Selbstseins im 17. Jahrhundert von der des 19. Jahrhunderts trennt.“ (Die Revolutionen des 18. Jahrhunderts, die Gründung der Freiheit, Republik, die Emanzipation zum Bürger, kommen nicht vor. Wie das der Rennaiscence)

Nennen wir sie die expressivistische Revolution.“ (Klingt bedeutsam. Die Revolution war aber – bürgerlich. Und Enttäuschung: Schopenhauer las bürgerliche Presse Englands, keine Romantik)

abstrakt universalistische Atrappen für das moralische Fußvolk“ (kleine Stichelei gegen Kant, dem die „denkende Rakete“ von ca. 1980 den stabileren Ruhm nicht verzeihen kann).
 

Ob Trump, ob H, ob S oder andere Leuchten der guten alten Zeit und des neuen Privilegs. Sie waren doch nie 68, profitierten aber gerne von der sexuellen Revolution und greifen dem Publikum ins untere Bewußtsein. Bohlen für arte. Peinliches Deutschland.

Wozu solche müßigen Erörterungen? Die Glasscheiben am Balkon sind sauber, die Geschäfte der Stadt quietschen ihrer Öffnung entgegen, das Mittelmeer ist voll von Hoffnung und Angst. Und jetzt Altes vom Alten?!

 Wozu der Zorn des Alten über Alte? Wir stehen doch alle vor dem Abgrund Vergessen. Was tönen wir, als hätten wir Jahrhunderte vor uns plus langanhaltenden Beifall der Guten und der Gläubigen des Ruhms?

Der Vogel zwitschert noch im Augenblick des Untergangs. Warum nicht wir? Das mag zur Entschuldigung dienen. Es bleibt müßig und Spaß…

Es gibt eine Erklärung von Wissenschaftler*innen: Man solle doch die Freiheit der Debatte erhalten und dem Haß absagen. Dem stimme ich zu.

Ich diskutiere nicht mit Literaten von Trump und Co. Sie mögen ihre Lockstoffe durch alle Welt duften. Mir liegt nichts daran, die miese Inquisitionsarbeit eines Kurt Goller SA gegen die Literatur nun umgekehrt von der Seite der Republik aus zu übernehmen. Aber ich möchte schon schimpfen, wenn sie weihevoll trumpierend über dem Forum schweben.

Des Kaisers neue Kleider sehen auch bei ihnen nicht besser aus, so wichtig und sauer sie ihre Gesichter beim „Weben“ auch ziehen. Was ist da Hip, was VIP? Mich erinnert das Marktgeschrei an die Meldung vom Einspritzen von Botox in Kamellippen auf Saudi-Arabischen Märkten.

Klaus Wachowski 1.3.2021


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