Montag, 27. November 2023

Napoleon, Wahn der Größe

Wahn der Größe

Nachdem Dr. Warnix, Psychagog und Ticketwerber der ersten Stunde, auf die knackigen Szenen, auf den wagnerianischen Aufputz und einige überraschende Einsichten in militärische Details in dem Film hingewiesen hat, stimmt unser gemeinsamer Freund Dr. Smirc, kurz Jacko genannt, eher mir zu:

Das sei doch nur ein zerstückeltes Konglomerat von Projektionen, ein in die reale Geschichte gedrückter Aliens-Schinken. Außer Schlachthof-Szenen, Sex-Ruckeln und schwülstiger Liebesverblödung sei doch nichts für Herz oder Hirn dabei gewesen. Mit 80 noch feuchte Träume des Ruhms bedienen? Mit 50 sollte das letzte Zimmer der Pubertät abgeschlossen worden sein.

Ein englischer Regisseur in Zeiten des Brexit mag vom guten alten Empire, auch auf französisch träumen. Und dem verkrachten Kleinadligen aus Korsika mag von vergangener (absolutistischer) Größe und Herrlichkeit geträumt haben: wie heute so mancher linker Revolutionär plötzlich die stalinistisch-putinsche Wendung ins alte Rechts macht.

Der Wahn von der Größe, Aufstand gegen die Ewigkeit, sei ja etwas, von dem die Pubertät schwärme, und das Erwachsene gern im TV bespielten. Aber was sei inzwischen das, was die Kritik aus dem Verstand in die Verehrung von Herrlichkeiten treibe? Groß, groß, brutal, das neue "geil"? Wagner halt.

Dem Filmemacher sage ich gleich: "Du hast nicht einen einzigen einfachen Mann, nicht eine einzige einfache Frau der totgeschossenen französischen Republik gezeigt. Du zeigst nur die Korruption der aufgestiegenen Reichen, die den von Herrschaftswollen zerfressenen Underdog für den Schutz ihrer Geschäfte zum Schluss sogar als Kaiser akzeptieren, als habe es keine Opposition in Frankreich gegeben: Putin als Herr über die Oligarchie. Was ist mit Rußland? Jeder der 300.000 gefallenen Soldaten hat mehr gegeben als dieser Größenwahn: sein Leben. Und was ist mit Frauen und Kindern?!

Du merkst: Ein Dichter hält einfach nichts mehr von den gewaltigen Taten und Verbrecher der Gerühmten vom Weihrauch. 

Es muß wohl Führung geben, wenn die Not kommt, weil die Zeit der Kommunikation dem Monolog und seiner Propaganda weichen muß, wenn der Sturm auf das Schiff zu rast. Aber Du brichst ja in Gesänge aus, flüstert bedeutsam von fließendem Blut! Als würde die Ewigkeit einen besonders wichtigen Platz für die von Dir besungenen Greuel bereit halten. Sorry: Auch Du wirst nicht mehr sein und vergessen wie irgendein anderer Erbauer von Pyramiden. 

Ist Dir die Zeit für Vernunft zu langweilig?! Wohl.

Dr. Warnix, Psychagog, Verehrer und Verlustbeschwörer, kommt mit zum Glühweinstand: "Ja, ja. Ihr habt ja Recht. Aber man darf auch mal in süßem Jasmin baden!" Gott schüttet gerade eine neue Tüte Sand auf die Düne Ruhm. Aber er gibt einen guten Whiskey aus, Dublin! Wow, Slaintè!

Lachen aus dem Off.

Zwei Schüler kichern und zeigen einander Videos. "Schau mal, wie der autscht, wenn ich ihm den Arm umdrehen!" Du hast auch einst gelacht. Jetzt, schämst Dich, wenn Du zurückdenkst, machst nicht mehr solche Filme. 

1778 dichtet Matthias Claudius: "s'ist Krieg, und ich begehre, nicht schuld daran zu sein.

P.S.: Etwas zu Liebe und Uneigennutz des Imperators:

"Der General hatte sich beim Notar der schönen Joséphine nach dem Zustand der Familienbesitzungen an Zuckerrohrplantagen auf den Westindischen Inseln erkundigt."

(Die Welt zur Versteigerung eines Liebesbriefs) Michael Stürmer 7/2007

"Er suchte die Frau, die Mutter, die Geliebte, und er hatte das Glück, sie in seinem Leben zweimal zu finden."(s.o.) In beiden Fällen waren es zwei zuviel.


Vielleicht kommt der Bezug des 80jährigen zur Ruhmsucht des N. aus seiner Kindheit. Sein Vater soll auch in der Weltgeschichte herumgefahren und Wichtiges gemacht zu haben. Mein Vater war ein anderer, nicht besser.

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