Montag, 25. März 2019

Clique, Clan und Catilina,

Die Republik ist alt geworden. Aus der sich verantwortlich fühlenden politischen Vertretung haben sich die ersten Cliquen und Kader aus den Parteien gelöst und bauen wieder auf die Macht der Familie und des Clans. Am Fettrand der Gesellschaft versammeln sich VIP in den unterschiedlichen konkurrierenden Mafiaressorts. Zäune und Mauern lösen die unüberwindbaren Aufnahmegebühren in die Clubs ab. Das Volk verläßt das Forum und wandert die Stadien und Wellnesszonen ab, nimmt seine Wut mit. Ein Rochus aus Sehnsucht nach Befreiung und Herrschaft glüht und wartet auf Demagogen der diktatorischen Hoffnung.

Ich lese Sallusts Verschwörung des Catilina. Hochgerühmt in den Zeiten der Gründung der ersten Republik, aktuell wie stets.

"Lucius Catilina, von edler Abkunft... Sein Geist war verwegen, hinterhältig, verschlagen, was man wollte, vorheuchelnd oder ableugnend, auf Fremdes aus, mit Eigenem verschwenderisch, erhitzt in Begierden; Beredsamkeit besaß er zur Genüge, Weisheit zu wenig. Sein maßloser Geist begehrte stets Unmäßiges, Unglaubliches, allzu Hohes. Den hatte nach der Gewaltherrschaft des Sulla der glühende Wunsch befallen, sich des Staates zu bemächtigen, und auf welche Weise er das erreichte, wenn er sich nur selbst die absolute Macht erwürbe‚ interessierte ihn nicht. Von Tag zu Tag wurde sein Ehrgeiz mehr bedrängt vom Mangel an Vermögen und dem Bewußtsein seiner Verbrechen...
Ein Antrieb waren außerdem die verkommenen Sitten des Staates, die zwei der schlimmsten und sich widersprechenden Übel, Verschwendung und Habsucht, verwüsteten."
Verblüfft die Ähnlichkeit im Charakter der Usurpatoren?

Das sollte es nicht. Denn mit welchen Mitteln außer Gewalt kann ich die politische Macht zerstören, die auf erworbenem Vertrauen beruht? List ist das Wort.
"Verwegen, hinterhältig und verschlagen" muß so ein Führer der Zerstörung schon sein. Früher hießen sie Mussolini, Hitler, Stalin. "Maßloser Geist", der stets "Unmäßiges, Unglaubliches, allzu Hohes" begehrt. Das verehrt die große Zahl der kriechenden Geister, die ihr Gefühl von verwundetem Wert im Größenwahn des führenden Narzißten baden wollen.
Wo Ungerechtigkeit über einen längeren Zeitraum die Kluft zwischen der Macht und Bürger als einen Abgrund zwischen Herr und Knecht ausgebaut hat, erodiert Politik, das Fundament der Republik der frei und gleich Geborenen. In Rom nicht anders als in Europa und Amerika.
Sei wachsam und treu!

Vor der Herrschaft der Demagogen aber war die Republik schon an der Gier krank:

Nach Sallust 10 pp

Und so wuchs zunächst die Gier nach Geld, dann die nach Herrschaft. Das war der Brennstoff. Denn die Habgier untergrub die Verläßlichkeit, die Rechtschaffenheit, statt ihrer lehrte sie Arroganz, Unbarmherzigkeit, Egoismus, alles zu kaufen und zu verkaufen.
Der Ehrgeiz brachte viele dazu, falsch zu werden, verschlossen statt offen zu sein, Freundschaften und Feindschaften nicht nach wirklichem Wert, sondern nach dem Vorteil einzuschätzen, Maske statt Haltung zu zeigen. Als das wie eine Pest ausbrach, änderte sich der Staat, die Herrschaft wurde aus der gerechtesten und besten zu einer der Mißachtung und unerträglich
Als dann Reichtum zu Ehre wurde und ihm Ruhm, Amt und Macht folgten, ermüdete der Anstand, galt Armut als Schande, Ehrlichkeit als Frechheit. So wurde die Jugend zu Gier und Arroganz gezogen: sie raubte, praßte, nichts war ihr wertvoll, sie kannte keine Grenze.
Die alten Römer hatten den Besiegten nichts genommen, außer der Möglichkeit, Unrecht zu tun. Aber diese Generation, raubte den Nachbarn alles, was jene tapferen Männer ihnen gelassen haben; als ob Verwaltung Herrschaft des Unrechts hieße.
Kaum jemand kann glauben, daß von Privatleuten Berge umgestürzt, Meere mit Bauten bedeckt worden sind. Sie trieben ihren Spott mit dem Reichtum; was sie auf anständige Art hätten besitzen können, zerstörten sie. Auf der Jagd nach exquisiten Genüssen durchforschten sie Land und Meer, ...
Das alles reizte die Jugend, wenn das ererbte Vermögen schmolz, zu Verbrechen. Ein vergifteter Geist richtete sich hemmungslos auf Besitz und Protz.
In einer so großen und verdorbenen Gemeinschaft sammelte Catilina Schande und Verbrechen wie eine Leibwache um sich. Denn jeder Maulheld, der mit Vergeuden, Bauchfüllen und Huren sein Vermögen geschreddert hatte, jeder der sich beim Einkauf von Skandal und Verbrechen verschuldet hatte, zudem alle Mörder aus aller Welt, Hassprediger, Verurteilte, hierzu Leute, die von Lüge und Gewalt lebten, das waren Catilina die Nächsten und vertraute Freunde.
Am meisten indes suchte er Freundschaft mit noch formbaren jungen Leuten. Den einen besorgte er Drogen und Sex, anderen kaufte er Hunde und Fahrzeuge; er sparte nicht mit Aufwand und riskierte sein Ansehen, wenn er sie nur abhängig machte. Sein Herz, konnte weder im Wachen noch im Schlaf Frieden finden: ...aus seinem Gesicht sprach der Wahnsinn.
Aus den Reihen der Freunde stellte er falsche Zeugen und Urkundenfälscher. Treue, Vermögen, Gefahren waren ihm unwichtig. Wenn ein Grund für ein Vergehen nicht zur Verfügung stand, brachte er Unschuldige zu Fall. Damit Hände und Herz nicht infolge der Untätigkeit erstarrten, war er lieber um nichts und wieder nichts böse und grausam.
Im Vertrauen auf die Freunde, zugleich weil seine Schulden über alle Länder hin ungeheuer waren, faßte Catilina schließlich den Plan, den Staat in seine Gewalt zu bringen.
Auch Familien des VIP, die mehr die Hoffnung auf eine Gewaltherrschaft reizte als Not, nahmen - im Hintergrund - Anteil.
Übrigens war der größte Teil der Jugend, besonders die des Adels, dem Catilina gewogen; Leute, die alle Möglichkeiten hatten, prunkvoll und gemütlich zu leben, wollten statt Sicherheit lieber das Risiko, lieber Krieg als Frieden.
Er redet zu den Freunden:

"Aber auch weil ich sah, daß für euch genau dasselbe Heil und Unheil bedeutet wie für mich: gleiches Interesse, das erst ist feste Freundschaft.
Täglich werde ich wütender, wenn ich bedenke, was auf uns zukommt. Seit der Staat unter das Establishment gekommen ist, gehen alle Steuern dorthin. Wir alle, anständige, tüchtige, adlige und nichtadlige, sind bis jetzt Masse gewesen, ohne Einfluß und Ansehen, denen ausgeliefert, denen wir ein Graus sind. Alle Macht, Ehre und Reichtum ist bei ihnen; uns haben sie Gefahren, Verachtung und Armut übrig gelassen.
Wie lange wollt ihr das denn mit ansehen? Ist es nicht besser, tapfer zu sterben, als ein elendes und schändliches Leben als Spielball des Ubermutes zu führen?"
Die Verschwörung des Catilina verstärkte die Neigung der Bürger, das Konsulat dem Cicero zu übertragen. Denn vordem kochte der größte Teil des Adels vor Neid, und sie glaubten, das Konsulat werde besudelt, wenn es ein „Neureicher“ wie er, mochte er noch so hervorragend sein, erhalte. Als aber die Gefahr kam, lösten Neid und Arroganz sich auf.

Die Reden im Senat

Cicero warf ihm vor: Catilina glaubte die hauptstädtischen Sklavenmassen aufwiegeln, die Stadt anzünden, ihre Männer auf seine Seite ziehen oder umbringen zu können

Catilina führte dagegen an, er stamme aus guter Familie; sie sollten doch nicht meinen, ihm, einem Manne aus altem Adel, der selbst und dessen Vorfahren die zahlreichsten Verdienste um das römische Volk besaßen, liege an der Vernichtung des Staates, während ihn Cicero rette, ein Hergelaufener.
Als er hierzu noch andere Schmähreden fügte, schrieen alle, nannten ihn Feind. Da sagte er von Sinnen: „Da ich einmal, von Feinden, gestürzt werden soll, werde ich meinen Brand in Trümmern ersticken.“

Catilina vor der Schlacht an die Mitverschwörer:

"Wir haben durch Gewalt und Grausamkeit der Wucherer Ehre und Vermögen verloren. ...
Oft hat sich das Volk bewaffnet vom Senat getrennt. Aber wir wollen nicht Herrschaft noch Reichtümer, sondern nur die Freiheit, die ein Mann nur mit seinem Leben verliert."

Dann: Fake News

"Durch Beleidigungen aufgebracht, weil ich der Frucht meiner Mühen beraubt nicht die Stellung, die mir zukam behaupten konnte, habe ich die allgemeine Sache der Unglücklichen übernommen.
Nicht weil ich meine Schulden nicht hätte bezahlen können‚ sondern weil ich Menschen, die dessen nicht wert waren, mit Ehre ausgezeichnet sah und spürte, daß ich durch falsche Verdächtigungen beiseite geschoben war."

*

Die Republik siegte. Aber Sallust, mit Blick auf ihren Untergang schreibt:

„Hätte aber beim ersten Gefecht Catilina als Sieger oder mit gleichem Glück das Kampffeld verlassen, hätte fürwahr ein schweres Unglück und Unheil den Staat vernichtet.

Aber auch die Sieger hätten den Sieg nicht länger genießen können, ohne daß den Ermatteten und Ausgebluteten ein Mächtigerer  Herrschaft und Freiheit geraubt hätte.“


Ein mächtigerer, etwa Caesar?

*
Um eine Chance zu haben, muß der Demagog naturgemäß die Verlierer ansprechen. Mit dem Haß aus dem Verlust, der Angst vor größerem Verlust und der Wut gegen nachdrängende Besitzlose.
Er wendet sich an die Verlierer in den römischen Clans, der heutige tut es bei bedrängten Besitzern, die sich in ihrer Sicherheit verlassen fühlen.
Die Winner lachen über angestammtes Recht, und die Republik ist ihnen nur noch ein Mittel gegen die Gewalt – ohne eigenen Wert. Der Demagog, die Demagogin überredet die Verlierer, die Republik zu vernichten, sie selbst an ihrer Stelle einzusetzen.
Wie zu Catilinas Zeiten bleibt nur die Rückkehr zum Gesellschaftsvertrag unter Abwehr des Vernichters. Vergiß Caesar nicht!

Zitate frei nach der Reklam-Broschüre889  aus 1967
 
Klaus Wachowski 25.3.19

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