Mittwoch, 8. August 2018

Der Edelpegide

Der Edelpegide -
zu einer Besprechung in volltext

Dem Klassenprimus aus Nauen
Gab ich noch nie mein Vertrauen.
Als er dann glühte,
Alter Pegide,
Wurde auch mir er zum Grauen.

Dr. Smirc meint, das Schlimmste sei doch die Verleihung des Jean-Paul-Preises gewesen.

Dr. Warnix, Psychagog und breit aufgestellter Literaturverkoster, weist auf die engen Verknüpfungen von Jean-Paul- und Wagnergesellschaft hin. Was könne man da schon erwarten!

Ach was! - Smirc fährt fort: der Menschenfreund Jean Paul habe vor allem Liebe, der Uckermarker nostalgische, stark nach Ego riechende Plaste und Elaste geschrieben. Man müsse nicht viel unternehmen. Die Weichmacher seien schon raus.

Dr. Warnix, Psychagog und austherapierter Bocksgesang: Nu ja! Kennen wir doch, Menschenhaß: es wird immer Leute geben, die sowas gerne lesen: unzufriedene Buchhalter mit Drang nach oben,  unzufriedene Geförderte mit Drang nach weiter oben, die Sehnsucht nach der Zeit, in der das Kind über die Eltern herrschte; überhaupt missachtetes Begehren nach Herrschaft oder wenigstens Knechtschaft. Also Lodenmantel, Krachledernes, Vipologisches.

Vom Trog Verdrängte, die Menschen nur in Form von ehrfürchtigem Publikum ertragen und die der Gesellschaft verübeln, daß sie ihnen kein Elfenbeinschloß mit Lautsprechern finanziert.

Zuviel Ruhm geschlabbert, im Suff sich rechts verplappert.

Wie manisch schwoll da Bocksgesang,
Heimatdichters höhrer Drang
Jodeln aus der Uckermark
macht den Klassenprimus stark.
Schon fühlte man sich als Nietzsche,
Übermensch und rein.

Dann jedoch vom Trog gestoßen,
Mußt sich die Seele recht erbosen.
Die Welt ist schlecht, der Mensch erst recht,
Herrscher sein will braver Knecht.
Nachruhm begehrt man fort und führ,
Sülzt vom braven Wir.

Dr. Smirc: Herr Dokter, da bekommst Du von mir ein großes Na-Ja. Ich weiß worauf Du anspielst. Versäumte Ablösung vom Wir. Der Misanthropus eklektus, der Mensch und Welt beschimpft, Nietzsche vom Bierbauch, das Ich als Pegide. Von links braucht es zum frohen Haß verelendeter Freunde und Genossen, rechts ruft der Schadenfroh nach dem Echo aus dem Mallorca-Eimer.

Dr. Warnix, Psychagog und existenzialistische Schnöselkrawatte, meint, man müsse doch auch einmal die Vorliebe für die Romantik unter die Lupe nehmen: schließlich sei aus ihr das Scheusal des ideologischen Antisemitismus gekrochen. Aber das sei wohl eher eine Auseinandersetzung, die für uns alte Knacker gelaufen sei. Wir sänken samt uckermarkigen Sprüchen bald in den Sand, bevor der Wind der Ewigkeit sein tröstliches Werk vollende.

Dr. Smirc: Ja tatsächlich, wo bliebe die Jugend, die Pensionäre zu lang bezogenen Ruhms von den Trögen zu jagen, um selbst auch mal fett zu werden? Gäbe es denn auch in den Feuilletonen nicht ausreichend Sessel zu stürzen? Er verstehe die Zurückhaltung nicht. Wir hätten doch auch unsere Leute, eben jene, nach vorn geschoben. Und sie hätten uns doch ne lange Weile mit ihren schnurrenden Narzißmen unterhalten. 

Das sage nicht "einer, dem Autorität immer nur genutzt hat, dem Vorbild, Meisterschaft und Anführung selbstverständlich waren" (B.S. Herkunft), sondern einer, dem Kant und Schopenhauer mehr waren als Nietzsche, Jean Paul mehr als all die aristokratischen Romantiker, die seinen Freund und Förderer blutig schlugen, weil man das mit Juden tun durfte.

Einem nicht ganz so genauen
Mauler aus Nauen
sollst Du nicht ungeprüft trauen

Der Uckermark-Strauß steckt sein Köpfchen
Bevorzugt in braune Fettnäpfchen.

Wie lieblich verachtet er Menschen,
lädt süß zu Blutbuchentänzchen.

Entdeckt gar eigene Seele,
Wo Deutsches sich Deutschem anbefehle.

Aus dem Foto schaut mehr ein pensionierter Wortverkäufer, dessen holzverschalten Kaufladen keiner mehr betreten will. Man traut dem Obst nicht so recht. Und Bio ist es eh nicht.

Dr. Warnix, Psychagog und Ansichten lüpfender Ascendenter, meint, der verhalte sich doch zu Jean Paul wie ein Trockenstrauß zu einer Wiese von Frühlingsblumen. Wo jener von Liebe belebt schreiben mußte, spiele der da die Sonderposten des Bezüglichen rauf und runter. Seine Langeweile zeige sich doch im blassen Unverblümt seines Tanzkränzelanzugs. Die Haltung sei die des Strebers, der sich am Klassenmob rächen möchte. Aber da wäre doch die Autorität des Lehrers wohl vorteilhafter gewesen, wo Bravheit mehr versprach als Großmaulführerschaft bei den Frechen.

Gott klopft ans Türl. Er ruft die beiden Besserwisser zum Schnaps. Sei doch egal: Wagner, Brentano, Nietzsche, einer müsse die Ladenhüter halt hüten. Die eine oder andere Urmutter zur Anbetung würde sich schon finden. Das sei Weihwasser von anschwellendem Bocksgesang. Wo bliebe der Spaß der Erinnerung, wenn es keinen Eselskreisch mehr zu erinnern gäbe? 

Fröhlich geht es in die Nacht.  Allseitiges Hoffen auf weitere Tage begleitet uns.

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