Mittwoch, 18. November 2015

Der Intrigant

Anders als der Denunziant aus Gewohnheit mit misanthroper Grundhaltung, der jeden Abwesenden bei jeder Gelegenheit als des Vertrauens unwerte Person "demaskiert" - man könnte ihn als den Demaskeur aus Leidenschaft bezeichnen -, nutzt der Intrigant das natürliche Mißtrauen des Menschen, um sein natürliches Vertrauen zu zerstören und die frei werdende Stelle mit eigenen Absichten zu besetzen.

Liebe, Freundschaft, Parteihaltung und Zweckgemeinschaft, Republik, Staat, Mensch(heit): Werte, die die Menschen verbinden, nutzt der Intrigant, um Dein Vertrauen zu erwerben. In einer Offensive der Offenheit offenbart er Dir ein persönliches, zumeist peinliches Geheimnis, um Dich an sich zu binden und Dir das Geständnis einer eigenen Peinlichkeit zu entlocken. Besonders günstig, wenn diese Peinlichkeit in sonst sorgsam zurück gehaltenen und stillen Vorbehalten gegen andere Vertraute besteht.

Nun seid Ihr bessere, engere Freunde und Kumpane. Der Intrigant erreicht so zweierlei: Du beginnst die alten Freundschaften mit der neueren zu vergleichen und entfernst Dich von dort, dem Ort nicht so tiefer und intimer Bekanntschaft, hin zu ihm. Er seinerseits kann unter dem Schutz Deines nun größeren, blinderen Vertrauens weniger beobachtet zu Deinen Freunden, Deiner Liebe, Deinen Vertragspartnern, Nachbarn, Parteifreunden, Mitbürgern, Mitmenschen gehen und ihnen - stets im Vertrauen - von Deinen Vorbehalten ihnen gegenüber berichten.

Er bringt Dich mit Deinen Freunden auseinander und Euch gegeneinander auf. Schließlich hast Du nur noch einen guten Freund als Ratgeber,  ihn, und die Welt erscheint Dir als Feind. Dies ist der Augenblick, in dem der Intrigant Dich stürzt oder Du ihn.

Willst Du gute Freunde verlieren? Vielleicht solltest Du gegenüber den besten Freunden mißtrauischer und gegenüber den "nur" sympathischen weniger anspruchsvoll sein. Das hilft dabei, in der wirklichen Welt mit einigem, natürlichen Vergnügen an Menschen zu leben.

Ich, habe - möglicherweise umgeben von vielen Intriganten - nur einen wissend erlebt. Ich habe mich hier wie in anderen Einschätzungen persönlicher Art nicht sehr urteilskräftig gezeigt. Er hat gut von meinem Zutrauen profitiert. Jetzt ist er auf einen anderen Gaul gesprungen. Muß man ihn kennen? Erkennen schon.

Gewalt und List sind die beiden Feinde politischen Handelns. Unterschätze in Deiner Furcht vor dem Terror Catilinas die Intrigen Cäsars nicht. Nicht jener, dieser begründete das Kaisertum und den Untergang der freien Republik.
Es gibt viele Intrigen. Ich habe mich selbst bei manchen mit schlechtem Gewissen ertappt. Die Zahl der Intriganten aus Leidenschaft dürfte aber weit geringer sein als man annimmt. Denn die Republik lebt vom Vertrauen, dem etwas Rechnungsprüfung beigemischt ist.

Die Diktatur und das ideologische Terror-Regime errichten ihre Herrschaft der Lüge auf Mißtrauen,  ihre Herrschaft der Gewalt auf Angst. Sie scheinen im Augenblick auf der Siegesstrasse. Aber die neuere Geschichte zeigt: das setzt sich nicht durch. Wenn Menschen wieder aufeinander vertrauen, ist auch ausreichend Kraft und Urteilsvermögen versammelt, sich vor Folterkellern und Hinterzimmer zu schützen.

Ist nicht aber auch der Intrigant ein der Nachsicht bedürftiger Mensch? Ja, er hat ein Gewissen. Es schlägt ihn mit tausend Ängsten vor Entdeckung. Daher kommt der besorgte, Mitleid heischende Ausdruck in seiner Miene, der seinerseits als Tarnung seines stabilen Ego vor kritischem Blick bestens geeignet ist.

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Zum Thema gehört die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Freundschaft und Republik. Die Anziehungskraft und Anfälligkeit von Freundschaft, die an der Macht ist, für die Intrige legt nahe, den Begriff Republik mit dem der Freundschaft nicht vorschnell durch ein "und"  zu verknüpfen. Näher liegt der Gedanke an ein: Republik - oder- Freundschaft: Herrscher sind stets von Freunden umgeben, stürzen in der Regel auch durch Freunde. Klugen der Macht hilft es in solchen Fällen von durch Intrige ausgezehrtem Vertrauen, den abgeschabten Rucksack mit Grundsätzen wieder hervorzuholen.

Vielleicht. Sieh, da steht Einer, Dir die Aktentasche zu tragen. Ich hoffe,  Du hast ihn jetzt erkannt. Ja, mir geht es gut. Guten Morgen auch Ihnen, Herr Heuchel. Das Schlafbüro ist bereit, ihre Gemütlichkeit zu empfangen.

Alzey, 18.11.15

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