Dienstag, 31. Dezember 2019

Handken

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Miranda Jakiša ist Professorin für Südslawische Literatur- und Kulturwissenschaft. Sie lehrte ab 2009 an der HumboldtUniversität in Berlin, seit 2019 an der Universität Wien. Gegenwärtig arbeitet sie an der Kommentierung der Jugoslawientexte Handkes. (Aus dem Tagesspiegel Dez. 2019)

"Peter Handke gehört zum Bestand in deutschsprachigen Bücherregalen." 

Nicht in meinen. Da stehen Karl Kraus, Klaus Mann, Jean Paul, Virginia Woolf, Silvia Plath, Anne Sexton, Joseph und Philipp Roth, Janosch, Robert Walser (der Richtige), Thomas Bernhard, Henning Mankell, Max Frisch  und viele andere. Von Handke keine Spur. 

Seltsam? Man frage Marcel Reich – Ranicki. 

Nach Jugoslawien wäre H rausgeflogen. Aber wie doch in sehr vielen deutschen Bücherregalen war er schon vorher nicht präsent. Nachgelesen habe ich ihn erst nach 94 in Bibliotheken.

„Während der Promotionszeit in Tübingen schenkte mir ein Germanist die „Kindergeschichte“. Darin werden „die Realitäts-Tümler als die Tyrannen einer neuen Epoche“ bezeichnet, und der Erzähler ergänzt: „Hinweg mit euch. Ich bin die Stimme – nicht ihr!“.“

Seltsame Stimme aus stillem Ort am Elfenbeinturm in der Niemandsbucht. Es raschelt wie alte Zeitung. Und mancher Furz rollt aus. 

Muß man ein Aufhebens davon machen? Einkaufszettel aus den Pfützen der Langeweile. Hinweg mit Euch! In den Sand den Ewigkeit.

Andere lassen Nobelpreise regnen. Warum nicht? Es glänzt, wenn Beton nass wird.  Laut ist auch die Stimme ohne Meinung. 

„Der Text verschlug mir als Gymnasiastin in den achtziger Jahren die Sprache, während er beredt Worte für das Unsagbare fand. Glasklar einen Selbstmord erfassen, noch dazu den der Mutter – was für eine Leseerfahrung!“ 

Sie macht Reklame mit der Beschreibung eines Selbstmordes. Ich kenne Verlust als mit Leid und Trauer verbunden. Sehnsucht. Liebe. Einsamkeit. Hat die Pubertierende davon auch nur ein Wort in der "Kindergeschichte" gefunden? Was hat sie denn so "fasziniert", "frappiert"?...

Aufblühende Literaturknospen, denen jeder Trockenstrauß ein Wunder verheißt. Wer würde da nicht schmunzelnd und bedauernd in die Jugendzeit zurück blicken. Ich habe die „Geschichte“ nach kurzem Blättern nicht ohne Verständnis unauffällig zurück gelegt. 
Bei der Preisvergabe machte er Ich-Reklame mit Familie. Liegt nahe, wenn man mit Menschen nichts am Hut hat.

Was denn unterdrückten Slaven in Handke betrifft, fragt sich doch, was seine so widerständigen Onkel und germanischen Väter in Hitlers Wehrmacht machten und mitmachten. Eine Ecke Ehrlichkeit ist in der Niemandsbucht verschollen. 

Das "frappierende" oder "faszinierende" Gesamtwerk des Klassenprimus erhebt - im Sinne von Schopenhauers Erklärung: am Fenster stehen und dem Geschehen zusehen, ohne in Gefahr zu sein. Nur sollte das Frappierende dann auch zeigen, was geschieht, nicht das, was ich mir beim in der Nase bohren davon denke, in einer ausgedörrten Sprache, die zu lange in der Salzlake eines Ego lag.

Das Leben als plastinierte Körperwelt. Ohne Zweifel: das gibt es. Und es verkauft sich gut. Das mag Dir Kunst sein und alle Angst vor Berührung mag sich davon begeistern lassen. 
Eine aufgeblähte Stille rollt aus stillem Ort hinaus, allen Ton erschlagend. 

Ich liebe und manchmal hasse ich den Gesang des Lebens. 

Offensichtlich muß Handke schreiben. Warum nicht? Aber ihm fehlt Berührung. Was hätte ihm der Deutschlehrer im Internat sonst empfehlen können? Eben nicht: schreibe! Sondern: Lebe, und dann schreibe!

 Verkorkst und Nobelpreis. 

Aber Veränderung ist möglich. Auch dem Alten. Und Reue! 

31.12.2019 Klaus Wachowski 


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