Donnerstag, 5. Dezember 2019

Den Nächsten wie ein Pferd umarmen

"Der Schriftsteller ist ein besonderes Distanzwesen: Er lebt in Entfernung zu sich, den anderen und der Welt. Ist das ebenfalls eine Art des beständigen Entschwindens?"

"Das ist wahr, ich lebe in der Distanz. Aber ich verliere die Distanz, oder ich gewinne die Distanzlosigkeit durch ein Gefühl von Brüderlichkeit, manchmal. Dann möchte ich, so wie Nietzsche das Pferd in Turin umarmt hat, den Nächsten umarmen, dem ich begegne. Aber eigentlich bin ich in dem Sinne gar kein Schriftsteller."

Ein Interview, ich glaube in der NZZ oder FAZ 

Schon Schriftsteller. Wenn auch von mir nicht besonders wegen literarischer Qualitäten geschätzt und wegen Reuelosigkeit verachtet. Und so "das Gefühl von Brüderlichkeit manchmal". Er möchte dann den Nächsten umarmen wie Nietzsche das Pferd... 

Der glaubte Jesus zu sein. Und dieser: kommt er als Gott zu Dir herab, als Papst oder als Nobelpreisträger? 

Der politische Faschismus beruft sich auf Mussolini und Franco, wenn er sich nach Wiederherstellung einer fest betonierten Ordnung von Herrschaft und Gefolgschaft sehnt. Der literarische zitiert gerne Nietzsche, wo er das Privileg eines - ebenso fragwürdigen - Ruhms des Genies gegenüber dem Wert des Bürgers begehrt. 
Die Republik braucht das nicht. Sie stellt Preise zur Verfügung, nicht Privilegien. Wer sich überhebt, mag mit Hilfe von literarisch auf Gewinn spekulierender Gefolgschaft Erfolg haben.  Dem Erfolg folgen.  Die Republik verhindert es nicht. Das ist Sache der Bürger selbst. 

Die drei Leser, die ein Schreiber braucht, um seine Begeisterung sprechend zu teilen, findet er schon selbst im Internet oder auf der Straße. Die Republik hält hier auf guter Distanz. 

Fortdauer, so genannter Ruhm, das Andere, überlässt sie den in den künftigen Räumen der Ewigkeit auftauchenden Nachwelten. Vielleicht ragt die eine oder andere Ruine Erfolg etwas länger und höher aus dem Sand des Vergessens. Vielleicht wird auch einmal ein Wert zufällig an die Oberfläche getragen, ausgegraben.  Vielleicht auch ein polierter Flop. Das weiß niemand. Viel Freude aus dem Grab damit. 

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