Montag, 24. Januar 2022

Weisheits-Posing

„Es gibt immer zwei Typen von Erzählern, die ständig miteinander ringen. Der eine schaufelt zu und verbirgt, während der andere aufgräbt, um zu enthüllen.“      Mankell, Treibsand, Salamanca 1

 

Das Zuschaufeln ist mir bei der Begegnung mit dem Taoismus aufgefallen.

 

Ähnlichkeiten der Wahrheits-Poser: Moralika, die als Summe der Weisheit verkauft werden.

 

Ich lese einen Tao-Text, in dem tatsächlich Konfizius und Lao Tse aufeinander treffen. Da es ein Text des Taoismus ist, hat das Tao zum Schluss das bessere Argument. Ich zweifle nicht daran, dass im anderen Fall Konfizius besser weg kommt.

 

Lau Dan sprach: »Was bedeutet eigentlich Liebe und Pflicht?« Kung Dsi sprach: »Im innersten Herzen alle Wesen gern haben, alle lieben ohne Selbstsucht; das ist die Art von Liebe und Pflicht.« Lau Dan sprach: »Ei, das scheinen mir recht minderwertige Reden zu sein. Alle zu lieben, ist das nicht übertrieben? Selbstlosigkeit als seine Pflicht ansehen, das beweist ja gerade, dass man selbstsüchtig ist. Wenn Ihr, Meister, den Wunsch habt, dass die Welt nicht ohne Hirten sei, so wisst Ihr ja, dass Himmel und Erde ihre ewigen Ordnungen in sich selbst haben, ...dass die Tiere ihren Herdentrieb in sich selbst haben..."

("Das wahre Buch vom südlichen Blütenland (Taoistische Klassiker 1)" von Zhuang Zi, Dschuang Dsi, Guido Keller, Richard Wilhelm) zu finden bei:  https://amzn.eu/cP0BsGS

 

Konfizius verteidigt die Herrschaft in Form von moralisch kanalisierter Nächstenliebe, Lao Tse meint, es genüge auf die natürliche Gegebenheit zu vertrauen. Die Nächstenliebe sei inhärent, die Form komme von selbst.

 

Mich erinnert es an die Konfliktlinie Altes Testament - Neues Testament. Die Schriftkundigen argumentieren mit der in die 10 Gebote gegossenen Nächstenliebe, Rabbi Jesus meint mit Lao Tse, richtig leben ergäbe sich von alleine, wenn man die nächsten liebe wie sich selbst. 

Der römische Kaiser Marc Aurel musste ja das drakonische Recht Roms durchsetzen und argumentierte mit Konfuzius, man möge doch durchsetzen, was die Natur an Menschenliebe verlange. Die Denkschule nannte sich Stoa. Die Konkurrenz der Epikuräer meinten, man solle doch alles sein lassen und nach dem Glück streben, wie es die Natur wolle. Politik wurde vermieden.

 

Und politisch? Der orthodoxe Kommunismus begründet mit Marx und Macchiavelli die Diktatur des Proletariats mit der Liebe zum Volk, mit der gleichen Liebe und Lao Tse geht der Kommunismus/ Sozialismus der Bewegungen von einer Naturkraft der Liebe aus, die sich im Klassenkampf die Herrschaft selbst schaffe.

Wie war das Stamokap und Revisionist? Wir lieferten einander Schlachten des wahren konfuzianischen Wegs (bei der SPD war wohl Schily so einer), nur um die jeweiligen Vertrauten hoch zu wählen. Die Antragsinhalte waren gleich. Kein Wunder, dass Lao Tse Schröder (und schau an bei Grün ein Turnschuh-Fischer) nach oben schoß und allen Sozialstaat ausbetriebswirtschaften konnte. Wer hatte Recht. Wäre ein "buddhistischer" Mittelweg sinnvoll gewesen? Der Zigarre flotten Lauf hielt weder Koch noch Kellner auf.

 

Der Katholizismus glaubt, die Nächstenliebe brauche eine in Hierarchie gegossene Form, kehrt zum AT zurück, das Protestantisch - Evangelische macht jede/n zur/m predigenden Nächsten.

 

Wie ist es mit dem Atheismus? Dem bleibt ja nur wissenschaftliche Ausrichtung als Grundlage der Moral. Auch hier meint die Orthodoxie der Nazis, Sovjets und des IS, man müsse das Volk aus Gründen der reinen Gesinnung regulieren, der Atheismus der Bewegungen hält eher auf Gewissensautomatik durch Machtergreifung.

 

Frage: wie moralisieren Impfverpflichter und Impfhasser? Sind auch hier die jeweiligen Lager in Manager und Rebellen der Vorherrschaft gespalten? Ich vermute es stark.

 

Was ist richtig?

 

Blick in die Vergangenheit: Sowohl die "verantwortungsvolle" wie auch die "freie" Haltung neigen zur Verwandlung. Freie Bewegungen brauchen plötzlich ein härteres Konzept als selbst die Herrschaft (Evangelikale, orthodoxe, maoistische Reglementierungen kamen aus der Befreiung von unten. Wird dergleichen auch im grünen Bereich geschehen?), verantwortungsvolle Regentschaften erweichen auf Dauer zu Sümpfen der Willkür, aus der Krieg die Lösung scheint (Rom, Habsburg, das Reich, Empire). Um den Unterschied und die Meinungsführung zu sichern, werden die schlimmsten Kriege von oben, die schlimmsten Massaker von unten herbeigeführt.

 

Pop und Punk. Was ist mir Dir?

 

 

Zuschaufeln

 

Es geht hier und dort, bei Konfizius und Lao Tse darum, die Herrschaft gegen die freie Person zu erhalten. In der Republik aber gehen Recht und Argument nicht von einer solchen oder anderen "Weisheit" aus. Und die "richtige" Vorstellung unterliegt dem Vorrang des Gesprächs vor der Regel.

 

Denn Regel ist Attribut von Herrschaft (sei sie von oben oder von unten gewollt). Sie wird durch Kategorien nicht, und nicht durch Ausbrüche des Willens ausreichend begründet. Sie unterliegt zu jeder Zeit und an jedem Ort der steten Prüfung durch ausreichend viele und vielfältige Personen.

 

Was lerne ich daraus? Für die richtige Moral gibt es kein heiliges Buch der Weisheit. Gewissen und der/die Andere/n, Erfahrung und kritische Vernunft. Irgendwie scheint mir dies besser genug.

 

24.1.22

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