Mittwoch, 9. Oktober 2019

2013 Bayreuth-Knacks

Bayreuths Knacks:

Jean Pauls Sehnsucht
Wagners Wahn
Nietzsches Delirium


Solarpanel auf der Kuhweide

ungeschickt, Bayreuth im Hype zu besuchen! Dr. Smirc kann Jean Paul in der Menge der Poeten und Tröten, Akademiker und Lüftlmaler nicht erkennen. Wo ist der Frühling, wo sind Krokus und Sonnenstrahl in den Dickichten des Veranstaltungsprogramms. Verehrer und Verehrte überall. Aber das Herz wird  schlaff in all dem Lob und Wurstwerfen nach Lob. Ein anderer Geburtstag, der von Freund W. wäre da näher dem Ich gewesen.

Der Obdachlose Zwergenbart erreicht in Neuhaus noch schwer atmend den Zug. Die sächselnde Fahrerin hat den Zug gnädiger Weise so lange angehalten. Wohin mein Bruder vom verwirrten Blick? Schlechtes Wetter, dieser Frühling.

Die Prominenz, die Prominenz zweiter Klasse, das zahlende Volk, das Volk. Die Autorin – des Verlags.

Japaner, die durch Bayreuth ziehen (wahnwagnern). Wenn die wüßten, daß hier der erste deutsche Chinese schrieb!

Kuhschnappel ist auch nicht mehr das, was es mal war: Solarpanel auf der Kuhweide.

Es hat geknackt

Die Wahrscheinlichkeit, daß es wieder einen Wirbel des Selbstbewußtseins getroffen hat, ist größer als die der Auflösung einer Blockade. Vielleicht ist es Beides. Es macht mir aber den Eindruck von Notwendigkeit und gleichzeitiger Befreiung.

Eine Masse von Verehrung ist in eine Stadt von Normbürgern geschwappt. Mein persönlicher Jean Paul, der neben Richard Weber mit mir durch den Tag ging, ist verloren gegangen. Ich begrüße die längst fällige Anerkennung, die in den Wiederbelebungsmaßnahmen zum Aus-druck kommt, aber die Verehrung ist um eine Spur zu hoch, wie die für John Lennon oder bei den frommen Cliquen für Jesus. In diesem Augenblick spüre ich den schmerzhaften inneren Knacks, mit dem ich mich von den Freunden auch meiner Verehrung löse, wie eine Erleichterung.

Anders als bei Karl Kraus + Schopenhauer will ich aber nicht den Fehler begehen, mich von der Person meiner Verehrung zu lösen, vielmehr will ich Verehrung überhaupt verlassen.

Es ist nicht leicht, es wird nicht leicht sein. Aber es winkt eine Belohnung namens Freiheit und Rückkehr zum Ich. Ich gehe deshalb nicht in die Lounge, sondern in das Restaurant von Karstadt. Ich komme nicht von da. Aber meine Familie, die eben dies glaubte. Hier teilt vermutlich niemand solche absurden Vorlieben wie die für einen absonderlichen Dichter. Aber wie ist es am Mikrophon in der Lounge? Da ist er um eine Selbsttäuschung ferner.

In mir sagt es mit buddhistischer Oberlehrerstimme: „Sieh das Leben, wie es ist! Dann kannst Du besser davon träumen, was Du ersehnst!“

Dies sind billige aber bunte Stühle, verschmierte Tische, ein Blick ins Gewerbegebiet und ermüdete Seelen. Na ja: Eine blaue Lücke im Wolkengrau, einige grüne Berg- und verzwirzelte Kirchturmspitzen vor der blassen Ferne, ein Kind voller Träume, zwei frisch verliebte Alte (eine Lüge mit Möglichkeit).

Was tue ich also hier, am Ort der verlorenen Begeisterung? Mit zwinkernder Depression könnte ich die Wahrheit so betonen: Ich sammle Einsamkeiten wie Andere Briefmarken. Aber da ist eine andere freie Notwendigkeit: Ich sitze an diesem Bach und lausche dem Versprechen des Schmelzwassers Leben: Es erfrischt meine von Klugheit gebogene Freude. Es ist ein Hahnenschrei oder ein Bluesakkord zum ersten Schritt auf der neuen Runde auf dem Weg.- Ich glaube: dem Weg zu Dir.

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