Montag, 7. März 2016

Ich zuerst

Unwirsch, Alc, Megäre,

Die Wiederholung der Wiederholung.
Der Kanal läuft über,
auch weil das Privileg zu laut das Wort verkündete: Geld stinkt nicht.
Aber Elend verschweigen, leugnen, verachten geht in die Sinkkästen.

Wir haben es doch alle zehn Jahre, dass die Verlierer der Win-Win-Situation sich ausreichend verspottet fühlen, um ihren Hass gegen "die da oben" herauslassen zu müssen. So lange sie ja nur auf die Ohnmächtigen einhassen, deren Beschützer sie eigentlich meinen, schert sich kein Privileg um Richtigstellung. Nun ist der Fehler passiert, dass sich die Bundeskanzlerin für ein menschliches Zeichen gegenüber den Verhassten stark gemacht hat. Das bedeutet aber für die Hasser eine direkte Konfrontation mit dem Kardinalwert des Ich-zuerst.

Wie die Verspottung der Armut in der Hartz IV-Wende der SPD ein jahrzehntelanges Tief an Vertrauen bescherte, so kann hier ein Bekenntnis zum Anstand, der das Grundgesetz ernst nimmt, zu einer anhaltenden Krise der Republik führen. Dort wurde die gesellschaftliche Solidarität mit betriebswirtschaftlicher Routine ausgekehrt, hier geht dem Underdog anlässlich des ausbrechenden Mitleids für die, die seiner Meinung nach unter ihm zu lagern wären, auf, wie wenig man sich um ihn bekümmert zeigte. Gescheiterte Karrieristen, belächelte Halbphilosophen, übersehene Narzißten, still gelegte Beamte, Buchhalter des Unwichtig vereinen sich im Haß auf die von Leben und Profit Begünstigten, die achtlos an ihnen vorbei konsumieren.

Wer stammt nicht von Armen ab? Auch unter uns armen Leuten des Nachkriegs war klar: ein Benachteiligter muß weder neidisch noch schäbig noch kriminell werden. Und auch das gehörte zum Anstand: Betroffene nicht dem Haß aussetzen. Kirchen und Konservative versuchten da beruhigend einzuwirken, Gewerkschaften und Sozialdemokraten waren etwas aktiver in Richtung Solidarität mit Verlierern und Ausgestoßenen.

Am Stammtisch aber galten Alc, Unwirsch und Megäre als die wahren Vertreter der Volksmeinung. Die Aversion der Anständigen unter den Mißachteten richtete sich damals in wirksamem Umfang gegen die Projektemacher des Hasses. Anständige Leute hielten sich von jenen fern. Heute fehlt es an solidarischen Bürgern, die eben dem anständigen Teil der Beleidigten argumentative Hilfe leisten. Man ist zu sehr mit dem Eigenen beschäftigt.
Was den Zyklus des rechten Aufbegehrens betrifft, ahnt mir ein Zusammenhang mit den Fälligkeits-Zyklen der Bausparverträge, die den privilegierteren Teil der Bevölkerung wieder von den allgemeinen Sorgen ab- und den eigenen Plänen zuwendet. Vielleicht ist es diesmal sogar mehr als sonst ein - allerdings reales - Problem der Finanzdepression von Unwirsch-Senioren.

7.3.20169

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