Was schrieb ich mit 42, dem Alter, in dem er starb? Wieviel mehr habe ich seither erlebt? An Liebe! Wäre er so alt geworden wie ich, ob er sich für das Bild Erik Henningsens, "Auf dem Weg zum Friedhof" interessiert hätte?
Schopenhauer war über 70 und überlebte ihn 5 Jahre. Was der Agnostiker wirklich von dem Dogmaten des Gott und Ich hielt?
Es hat auch etwas Gutes, alt geworden zu sein. Wie leicht hätte ich mich von der Begeisterung für Kierkegaard anstecken lassen. Überhaupt bin ich bezüglich der Vergänglichkeit mancher meiner eigenen Äußerungen nicht traurig.
Jetzt sehe
ich, wie wenig bedauernswert doch sein Leben war, wie gewaltig übertrieben sein
Ruhm ist. Sein Verdienst jedenfalls: er hat die Person nicht entdeckt, ihr aber
als einer der ersten im nicht französischen Bereich zu ihrem Recht gegenüber
der Gesellschaft verholfen: Ich mit Gott, Gott mit mir gegen die Welt.
Aber am
Beispiel von Abraham, der sein Kind für Gott schlachten wollte, zeigt sich auch
die Möglichkeit zur Unmenschlichkeit solcher Vorstellungen. K. versteigt sich
zur Begeisterung in dem Gedanken, Abraham spiele vor Isaak das Böse, um Isaaks
Haß auf Gott auf sich zu lenken und den Kinderglauben Isaaks zu retten. Absurd,
unmenschlich, unchristlich.
Überhaupt
läßt sich der verehrte K als ein sich von der Verantwortung drückender Privilegierter
sehen, der sich von der Verlobten trennt, um seine Freiheit nicht zu verlieren.
Ob der Prediger der Nächstenliebe einem entlaufenen Bauern seine
Zeitungsspalten, geschweige denn seinen Geldbeutel geöffnet hätte?
Auch er ein
hochverehrter Weltbildmaler, der seine Betrachtungen zu einem System schichtete,
von dessen Brüstung aus das gerade ablaufende Leben sich leicht beschimpfen
ließ. Wie die anderen Monologen der nachrevolutionären Zeit Frankreichs Marx,
Freud, Schopenhauer, zuletzt Einstein in der Bruchbude des gekrümmten Raums,
abgeschottet gegen eine vielseitigere kritische Betrachtungsweise von Sinn und
Sein.
Was konnten sie
dem Menschen helfen, der, die von Liebe, Glück und Schmerz erschüttert sind und
Trost erhoffen von Menschen und von dem was in ihnen lebt – nenne es
Lebensenergie, Wille, Gott - .
Von Liebe
hatten ja alle drei keine Ahnung, die machten so eine Art Moral daraus.
Zeitweise
war es schon schön, etwas von ihnen zu lesen.
P.S.: Eine Arroganz gegenüber dem angeblich geliebten Nächsten, sich in seiner eigene Beziehung zu Gott einzumauern, um von da aus seine persönlichen Moralvorstellungen und Zumutungen heiligen zu lassen. Die katholische Kirche braucht eine ganze Hierarchie dazu, die Evangelikalen immerhin noch die erleuchtete Gruppe. Kann man nicht einfach nur das Nicht-Beweisbare halt mal glauben?! Oder eben nicht?
7.6.21 Klaus
Wachowski
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