Dienstag, 8. Juni 2021

Mit 70 noch Kierkegaard?

Was schrieb ich mit 42, dem Alter, in dem er starb? Wieviel mehr habe ich seither erlebt? An Liebe! Wäre er so alt geworden wie ich, ob er sich für das Bild Erik Henningsens, "Auf dem Weg zum Friedhof" interessiert hätte? 

Schopenhauer war über 70 und überlebte ihn 5 Jahre. Was der Agnostiker wirklich von dem Dogmaten des Gott und Ich hielt?

Es hat auch etwas Gutes, alt geworden zu sein. Wie leicht hätte ich mich von der Begeisterung für Kierkegaard anstecken lassen. Überhaupt bin ich bezüglich der Vergänglichkeit mancher meiner eigenen Äußerungen nicht traurig.

Jetzt sehe ich, wie wenig bedauernswert doch sein Leben war, wie gewaltig übertrieben sein Ruhm ist. Sein Verdienst jedenfalls: er hat die Person nicht entdeckt, ihr aber als einer der ersten im nicht französischen Bereich zu ihrem Recht gegenüber der Gesellschaft verholfen: Ich mit Gott, Gott mit mir gegen die Welt.

Aber am Beispiel von Abraham, der sein Kind für Gott schlachten wollte, zeigt sich auch die Möglichkeit zur Unmenschlichkeit solcher Vorstellungen. K. versteigt sich zur Begeisterung in dem Gedanken, Abraham spiele vor Isaak das Böse, um Isaaks Haß auf Gott auf sich zu lenken und den Kinderglauben Isaaks zu retten. Absurd, unmenschlich, unchristlich.

Überhaupt läßt sich der verehrte K als ein sich von der Verantwortung drückender Privilegierter sehen, der sich von der Verlobten trennt, um seine Freiheit nicht zu verlieren. Ob der Prediger der Nächstenliebe einem entlaufenen Bauern seine Zeitungsspalten, geschweige denn seinen Geldbeutel geöffnet hätte?

Auch er ein hochverehrter Weltbildmaler, der seine Betrachtungen zu einem System schichtete, von dessen Brüstung aus das gerade ablaufende Leben sich leicht beschimpfen ließ. Wie die anderen Monologen der nachrevolutionären Zeit Frankreichs Marx, Freud, Schopenhauer, zuletzt Einstein in der Bruchbude des gekrümmten Raums, abgeschottet gegen eine vielseitigere kritische Betrachtungsweise von Sinn und Sein.

Was konnten sie dem Menschen helfen, der, die von Liebe, Glück und Schmerz erschüttert sind und Trost erhoffen von Menschen und von dem was in ihnen lebt – nenne es Lebensenergie, Wille, Gott - .

Von Liebe hatten ja alle drei keine Ahnung, die machten so eine Art Moral daraus.

Zeitweise war es schon schön, etwas von ihnen zu lesen.

P.S.: Eine Arroganz gegenüber dem angeblich geliebten Nächsten, sich in seiner eigene Beziehung zu Gott einzumauern, um von da aus seine persönlichen Moralvorstellungen und Zumutungen heiligen zu lassen. Die katholische Kirche braucht eine ganze Hierarchie dazu, die Evangelikalen immerhin noch die erleuchtete Gruppe. Kann man nicht einfach nur das Nicht-Beweisbare halt mal glauben?! Oder eben nicht?

 

7.6.21 Klaus Wachowski 

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