Chain of fools II
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Sarrazin oder - Der
Ausputzer
Breit aufgestellte schlanke
Verwaltung Mainz 2015
Einleitung
Ich gehe
unter einem Gerüst durch und denke dabei an den Bericht von einem Mann, der von
einem Ziegel erschlagen wurde.
Der Mann,
der das Gerüst hier aufgestellt und gesichert hat und nun darauf arbeitet, wird
nun ebenso von mir geachtet wie die Frau oder der Mann, die ihm die Auflage
gemacht haben und ihn kontrollieren.
Sie sind
nicht berühmt.
Einer von
der Meinung es gäbe ernst zu nehmende Unterschiede zwischen wichtigen und
unwichtigeren Menschen, wird mit rauschendem und auch neidischem Beifall bedacht.
Wo ein gewaltiges Wesen um eine verachtende Gesinnung gemacht wird, nehme ich
Stellung und ihn auf in die Chain of fools.
Ein Text aus 2008:
Was rot-rot
verdächtig macht: einen Sarrazin unkommentiert regieren zu lassen.
Wenn der
Senator erzählt:
Pullover-Sarrazin
Weiß der
Arme nicht
wohin,
springt ins
Bild der
Sarrazin.
Wer kein
Geld für Heizung
hat,
soll
Pullover sich
kaufen,
das Übrige
kann ein braver
Senat
mit der
lachenden Presse
versaufen.
Früher hätte
ein so kaltes Herz sich in der SPD warm anziehen müssen.
Heute tritt
sogar die PDS nicht aus der Koalition aus.
Weshalb man
doch keiner Partei mehr ihr Weltbild abnehmen sollte.
Aus wikipedia:
Im Jahr 2007
genehmigte Sarrazin als Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Verkehrsbetriebe
BVG fahrlässig ein riskantes Spekulationsgeschäft, das er nicht vollständig verstand.
In der Aufsichtsratssitzung vom 25. April 2007 dauerte die Behandlung des
Punktes des Geschäfts,... inklusive Abstimmung nur vier Minuten. ... Sarrazin
forderte eine sofortige Abstimmung. Ohne Gegenstimme... wurde das Geschäft
genehmigt. Im Jahr 2008 führte es zu einem Verlust
von 204 Mio. EUR.
Im Jahr 2008
entgingen dem Land Berlin bei der Verpachtung eines landeseigenen Grundstücks
an den Golf- und Landclub Berlin-Wannsee e. V. Mehreinnahmen von drei Millionen Euro, als Sarrazin eigenmächtig
auf eine Nachbesserungsklausel bei Verlust der Gemeinnützigkeit verzichtete.
Im Mai 2009
sagte Sarrazin gegenüber dem Magazin Stern zum Umgang Arbeitsloser mit Energie:
„‚Hartz-IV‘-Empfänger sind erstens mehr
zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die
Temperatur mit dem Fenster.“ Das Sozialsystem müsse so geändert werden,
„dass man nicht durch Kinder seinen Lebensstandard verbessern kann, was heute
der Fall ist“. Vielmehr müsse die Politik dafür
sorgen, dass nur diejenigen Kinder bekommen, die „damit fertig werden“.
Heftige
Reaktionen riefen Sarrazins Äußerungen zur Wirtschafts- und Migrationspolitik
Berlins hervor, die im September 2009 in der Kulturzeitschrift Lettre
International publiziert worden waren.
Die Stadt
sei belastet von zwei Komponenten: „der 68er-Tradition und dem Westberliner
Schlampfaktor“. Berlin sei in seinen
politischen Strömungen „nicht elitär
aufgestellt, sondern in seiner Gesinnung eher plebejisch und kleinbürgerlich.“.
Spiegel online 29.7.08:
Sarrazin spricht aus Erfahrung: "Bei uns waren es
zu Hause immer 16 Grad. Am Morgen hat mein Vater die Koksheizung befeuert und
sie erst am Abend, wenn er von der Arbeit zurückkam, wieder angemacht. Das
hielt dann immer gerade für 16 Grad. Ich habe es überlebt."
Damals ist das Mitgefühl unter den Egoismus geraten:
Die anderen sind schuld.
*
Das Bild
Ich habe mir keine seiner im Nachgang zum Ruhm durch Pegida produzierten
Rechtfertigungen angetan. Politisches Gespräch bedarf zuerst einer achtsamen Haltung
gegenüber den Menschen. Wer mir zuflüstert, einbläst, über den Marktplatz hin
zuschreit, es gäbe wertvolle und weniger wertvolle Menschen, Personen, Bürger,
lebt in einer mir fremden Welt. Wozu sollte ich aus seinen Bemerkungen all das
herausklauben, was sich mit einem Würde und Wert achtenden Gespräch vereinen
ließe? Und: ist es denn ein Gespräch? Oder nicht vielmehr ein Monolog für den
Stammtisch prominent gedachter "Elite"?
Nein, ich beschließe, zuerst einmal das Bild zu betrachten, das seine Handlungen
in Spiegel und Stern der Zeit hinterlassen hat.
Es scheint eine düstere und 16 Grad kalte Wohnung gewesen zu sein, wo das
Kind des Doktors ("Wein in der Therapie des 19.Jahrhunderts") und der
Gutsbesitzerstochter aufwuchs. Was die Arbeiterkinder in Recklinghausen wohl
von dem Sohn des Flüchtlings mit besserer Zukunft in der Vergangenheit dachten?
Deren Eltern, waren sie wohl "länger zu Hause", waren sie länger
unten auf der Straße? Wer "regulierte da die Wärme mit dem Fenster",
wenn er das Geld für Koks nicht hatte? Ob Oma auch ordentlich Pullover
strickte, mit Wolle aus dem
Waldorfkindergarten?
Wer weiß, woher der Zug der Gehässigkeit kam? Er ist da.
*
Waden beißen kann eine ehrenwerte Tätigkeit erleichtern. Der deutsche
Schäferhund, der die Herde auf gutem Kurs hält: Welcher Hirte hätte so einen
nicht gerne? Als man das Wort über mich sagte, war ich -politischer-
Rechnungsprüfer und kritisierte problematisches Handeln.
Aber wenn das Kurs halten dem bloßen Bellen und Beißen weicht, ja, wenn der
Wadenbeißer auf alles losgeht, was sich überhaupt bewegt, dann ruft
Shakespeare: "Thersites!". Und es ist Zeit, sich Haltung und Handeln
näher anzuschauen.
Treuhand. Die Bedienung von Glücksrittern mit staatlichem Vermögen. Er war
dabei.
Spekulationsgeschäft BVG. Er hats riskiert.
Geschenk an den Golfclub, nicht ohne ihn.
Ein abgefundener, peinlich erfolgloser Ehrgeiz, wendet sich -wie manch
anderer- gegen den "Gleichheitswahn", aus dessen Partei er partout
nicht hinaus will. Er reitet sich in seiner Gehässigkeit gegen die armen Leute
und - als der Gegenwind zu stark wird - gegen die Ausländer immer näher an den
Haß der Feinde der Republik heran, die in der Gefolgschaft einer neuen Diktatur
ihre Rettung erblicken.
Der Geiz-ist-geil-Pegide von der besseren Versorgung hat aber ausgedient,
wenn er nicht den Sprung in den herauf kommenden Faschismus schafft, wo die
Elite über die Plebejer herrscht und nur eines wichtig ist: Zugehörigkeit zum
VIP, Vererblichkeit des Privilegs. Und wo nur eines verhindert werden muß:
Änderung.
Gerne hätte er auch Ruhm unter klugen Leuten gehabt. Das Buch von
Tugendterror drängt sich als verschrobene Hass-Liebeserklärung jedem scharfen
Robespierre vom Stammtisch auf. Hatte der nicht auch etwas von calvinistischer
Selbsterwählung?
Warum nicht Ruhm auch bei klugen Leuten? Ein anderer, der auch ein paar
Millionen in den Sand setzte, war zu Zeiten des Untergangs der römischen
Republik gern gehörter Redner. Nur: Caesar hatte wirklich geschickte Reden
drauf und vor allem die Zustimmung mächtigeren Ehrgeizes hinter sich. Da war
aber auch ein Cato, ihm Paroli zu bieten.
*
All das, was ich da nicht sehe:
Einen guten Hirten,
Einen guten Freund,
Friedlichkeit, Freundlichkeit, Barmherzigkeit, Urteilskraft.
Ich komme an den Punkt, an dem ich mich entscheiden muß, ob ich mich tiefer in seine Bosheiten
begebe oder ohne Kommentar zum Schluss komme.
Von Gleichheit und Führerschaft
Eins scheint nötig: auf den Begriff des "Gleichheitswahns" einzugehen,
der ihm doch so gut gefällt. Er wendet ihn überall an, wo es um Annäherung an
Gleichheit, also Gerechtigkeit, geht.
Als die SPD sich nur mehr als ein esoterischer Kreis herrschender
Funktionäre verstand und sich von den Armen abwendete, über deren Nähe sie sich
in den Aufsichtsräten genierte, kehrte sie die der Menschenwürde verpflichtete
Sozialhilfe um in ein Recht auf Wohltat durch Gehorsam: dem Rechtsanspruch auf
Hilfe in der Not wurde die Bedingung der Erfüllung einer vom Amt zu setzenden Gegenleistung
vorgeschoben. Der Ausgleich von Not wurde in den Begriff der Förderung
umgedeutet, als etwas, das von einem an den anderen gegeben, nicht als etwas,
das aus einem allgemeinen Vermögen bestimmungsgemäß verwendet wir. Aus dem in
Not geratenen Nachbarn war auf einen Schlag ein Angehöriger der neu
bezeichneten Klasse des Prekariats geworden. Der Funktionär hatte sich aus
seinem Bekenntnis gelöst.
Hartz IV. Die Bürger haben den Verrat erkannt und sich in der Folge von
ihrer Hoffnung auf die Partei der Gleichheit gelöst. Im Fördern und Fordern, das in einer langen Zeit
der Übung von "Sparen bis es quietscht" zum Fordern statt Fördern wurde, zeigte sich die
Haltung, die Gleichheit als Wahn wahrnimmt und Gerechtigkeit nach dem
jeweiligen Aktienstand betreibt.
Mit einigem Recht wehrt sich der Genießer solcher Vorstellung gegen den
Hinauswurf aus einem Club, dessen Krawatten er hoch gehalten hat, um sie vor
Flecken der Sorge zu schützen.
*
Die Säule Gleichheit bildet mit der Freiheit und der brüderlichen Sorge das
Fundament dieser Republik.
Wer eine dieser Grundwerte des Bekenntnisses zur Würde, also zur
Wertachtung, des Menschen, verächtlich macht, hat keinen Anspruch darauf, von
Bürgern in seinen Plänen ernst genommen, auch nur gehört zu werden.
Hier zog einer den Not Leidenden "die Maske" des Heiligen von
Gesicht, um dahinter unser aller Egoismus zu verspotten. Ja, litt dieser Mensch
nicht unter Not? Und wie war es mit dem Arbeitslosen, dem einer Sekt über den
Kopf kippte? Wie war es mit dem anderen, dem ein privilegierter Sozialdemokrat
erklärte, er solle sich erst mal rasieren, wenn er einen Job wolle. Der Blickwinkel des Unbarmherzigen macht den
Unterschied zur Zeit vor Hartz.
Man gehe nicht auf die "Notwendigkeiten" ein, die dem Funktionär
ein Mitmachen diktierten! Ich will wissen: Warum hast Du das unterstützt!
Ich habe in ein Werk von 400 oder 600 Seiten Gehässigkeit geblickt und
hoffe, dass nichts davon an hängen geblieben ist.
Als die Gehässigkeit gegen die Armen Folgen zeigte, wendete Sarrazin sie
nicht ohne finanziellem Erfolg gegen Flüchtlinge und Muslime. Schimpft er nicht
gegen Ausländer? Jedenfalls schimpft er auf die Bürger, die nicht auf Ausländer
schimpfen. Er meint "Man hörte förmlich das kollektive Zähneknirschen der
vereinigten Medienklasse." Ich finde solchen Stolz beschämend.
Was wird sein?
Wenn sie in hundert Jahren in einem Sachsen- oder Bayerntal das verwitterte
Schild eines "Thilo- Sarrazin -Wegs" lesen werden, werden sie sich
-wie wir heute uns über ähnliche Wichtigkeitsanzeiger- fragen: Wer war wohl
diese Type, die solchen Hype verdient? Der Fremdenführer wird dem nach sarrazinisch
bravem Ideal geklonten deutschen Publikum oder dem natürlichen städtischen Mix
erklären, was das wohl für eine verbitterte Sorte Mensch zu Zeiten des Fakers
war.
Man wird leben und froh des Lebens sein und den Tod fürchten. Und man wird
lieben und irgendwie doch den Anstand von der Menschenwürde mit sich tragen.
Voraussetzung: Der Gehässigkeit gelingt nicht, den Haß gegen ein
nachbarschaftliches Leben in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit am Kochen zu
halten.
Nachbemerkung:
Es gibt das Bekenntnis zu einer von frei und gleich
Geborenen in gegenseitiger Sorge gestalteten Form politischen Lebens, der
Republik.
Es gibt aber auch das andere Projekt einer in
bevorrechtigte "Eliten" und in zu Führende geteilten Gesellschaft.
Sich zu ihr zu bekennen, ist mit negativen Reaktionen von Seiten der als
Verlierer belächelten Verlierer bedroht. Gern wird hier daher nicht ein
problematisches Bekenntnis abgegeben, sondern allerlei passende Wirklichkeit
verkündet.
Damals fielen zuerst die Intellektuellen um, besonders
die, die sich dafür hielten.
Es bleibt eine Sache der Haltung: Was unterstützt Du?
Oder:
Which side are you on?
laudate dominum Klaus
Wachowski 10.7.2019
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