Mittwoch, 10. Juli 2019

Chain of fools II Sarrazin


Chain of fools II


Sarrazin  oder - Der Ausputzer



Breit aufgestellte schlanke Verwaltung Mainz 2015
Einleitung

Ich gehe unter einem Gerüst durch und denke dabei an den Bericht von einem Mann, der von einem Ziegel erschlagen wurde.

Der Mann, der das Gerüst hier aufgestellt und gesichert hat und nun darauf arbeitet, wird nun ebenso von mir geachtet wie die Frau oder der Mann, die ihm die Auflage gemacht haben und ihn kontrollieren.

Sie sind nicht berühmt.

Einer von der Meinung es gäbe ernst zu nehmende Unterschiede zwischen wichtigen und unwichtigeren Menschen, wird mit rauschendem und auch neidischem Beifall bedacht. Wo ein gewaltiges Wesen um eine verachtende Gesinnung gemacht wird, nehme ich Stellung und ihn auf in die Chain of fools.





Ein Text aus 2008:

Was rot-rot verdächtig macht: einen Sarrazin unkommentiert regieren zu lassen.
Wenn der Senator erzählt:

Pullover-Sarrazin

Weiß der Arme nicht wohin,                          
springt ins Bild der Sarrazin.                            

Wer kein Geld für Heizung hat,                        
soll Pullover sich kaufen,                     
das Übrige kann ein braver Senat                       
mit der lachenden Presse versaufen.                             

Früher hätte ein so kaltes Herz sich in der SPD warm anziehen müssen.
Heute tritt sogar die PDS nicht aus der Koalition aus.
Weshalb man doch keiner Partei mehr ihr Weltbild abnehmen sollte. 


Aus wikipedia:

Im Jahr 2007 genehmigte Sarrazin als Aufsichtsratsvorsitzender der Berliner Verkehrsbetriebe BVG fahrlässig ein riskantes Spekulationsgeschäft, das er nicht vollständig verstand. In der Aufsichtsratssitzung vom 25. April 2007 dauerte die Behandlung des Punktes des Geschäfts,... inklusive Abstimmung nur vier Minuten. ... Sarrazin forderte eine sofortige Abstimmung. Ohne Gegenstimme... wurde das Geschäft genehmigt. Im Jahr 2008 führte es zu einem Verlust von 204 Mio. EUR.

Im Jahr 2008 entgingen dem Land Berlin bei der Verpachtung eines landeseigenen Grundstücks an den Golf- und Landclub Berlin-Wannsee e. V. Mehreinnahmen von drei Millionen Euro, als Sarrazin eigenmächtig auf eine Nachbesserungsklausel bei Verlust der Gemeinnützigkeit verzichtete.

Im Mai 2009 sagte Sarrazin gegenüber dem Magazin Stern zum Umgang Arbeitsloser mit Energie: „‚Hartz-IV‘-Empfänger sind erstens mehr zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster.“ Das Sozialsystem müsse so geändert werden, „dass man nicht durch Kinder seinen Lebensstandard verbessern kann, was heute der Fall ist“. Vielmehr müsse die Politik dafür sorgen, dass nur diejenigen Kinder bekommen, die „damit fertig werden“.

Heftige Reaktionen riefen Sarrazins Äußerungen zur Wirtschafts- und Migrationspolitik Berlins hervor, die im September 2009 in der Kulturzeitschrift Lettre International publiziert worden waren.

Die Stadt sei belastet von zwei Komponenten: „der 68er-Tradition und dem Westberliner Schlampfaktor“. Berlin sei in seinen politischen Strömungen „nicht elitär aufgestellt, sondern in seiner Gesinnung eher plebejisch und kleinbürgerlich.“.



Spiegel online 29.7.08:

Sarrazin spricht aus Erfahrung: "Bei uns waren es zu Hause immer 16 Grad. Am Morgen hat mein Vater die Koksheizung befeuert und sie erst am Abend, wenn er von der Arbeit zurückkam, wieder angemacht. Das hielt dann immer gerade für 16 Grad. Ich habe es überlebt."

Damals ist das Mitgefühl unter den Egoismus geraten: Die anderen sind schuld.

*
Das Bild

Ich habe mir keine seiner im Nachgang zum Ruhm durch Pegida produzierten Rechtfertigungen angetan. Politisches Gespräch bedarf zuerst einer achtsamen Haltung gegenüber den Menschen. Wer mir zuflüstert, einbläst, über den Marktplatz hin zuschreit, es gäbe wertvolle und weniger wertvolle Menschen, Personen, Bürger, lebt in einer mir fremden Welt. Wozu sollte ich aus seinen Bemerkungen all das herausklauben, was sich mit einem Würde und Wert achtenden Gespräch vereinen ließe? Und: ist es denn ein Gespräch? Oder nicht vielmehr ein Monolog für den Stammtisch prominent gedachter "Elite"?

Nein, ich beschließe, zuerst einmal das Bild zu betrachten, das seine Handlungen in Spiegel und Stern der Zeit hinterlassen hat.

Es scheint eine düstere und 16 Grad kalte Wohnung gewesen zu sein, wo das Kind des Doktors ("Wein in der Therapie des 19.Jahrhunderts") und der Gutsbesitzerstochter aufwuchs. Was die Arbeiterkinder in Recklinghausen wohl von dem Sohn des Flüchtlings mit besserer Zukunft in der Vergangenheit dachten?

Deren Eltern, waren sie wohl "länger zu Hause", waren sie länger unten auf der Straße? Wer "regulierte da die Wärme mit dem Fenster", wenn er das Geld für Koks nicht hatte? Ob Oma auch ordentlich Pullover strickte, mit Wolle  aus dem Waldorfkindergarten?

Wer weiß, woher der Zug der Gehässigkeit kam? Er ist da.

*

Waden beißen kann eine ehrenwerte Tätigkeit erleichtern. Der deutsche Schäferhund, der die Herde auf gutem Kurs hält: Welcher Hirte hätte so einen nicht gerne? Als man das Wort über mich sagte, war ich -politischer- Rechnungsprüfer und kritisierte problematisches Handeln. 

Aber wenn das Kurs halten dem bloßen Bellen und Beißen weicht, ja, wenn der Wadenbeißer auf alles losgeht, was sich überhaupt bewegt, dann ruft Shakespeare: "Thersites!". Und es ist Zeit, sich Haltung und Handeln näher anzuschauen.

Treuhand. Die Bedienung von Glücksrittern mit staatlichem Vermögen. Er war dabei.
Spekulationsgeschäft BVG. Er hats riskiert.
Geschenk an den Golfclub, nicht ohne ihn.

Ein abgefundener, peinlich erfolgloser Ehrgeiz, wendet sich -wie manch anderer- gegen den "Gleichheitswahn", aus dessen Partei er partout nicht hinaus will. Er reitet sich in seiner Gehässigkeit gegen die armen Leute und - als der Gegenwind zu stark wird - gegen die Ausländer immer näher an den Haß der Feinde der Republik heran, die in der Gefolgschaft einer neuen Diktatur ihre Rettung erblicken.

Der Geiz-ist-geil-Pegide von der besseren Versorgung hat aber ausgedient, wenn er nicht den Sprung in den herauf kommenden Faschismus schafft, wo die Elite über die Plebejer herrscht und nur eines wichtig ist: Zugehörigkeit zum VIP, Vererblichkeit des Privilegs. Und wo nur eines verhindert werden muß: Änderung.

Gerne hätte er auch Ruhm unter klugen Leuten gehabt. Das Buch von Tugendterror drängt sich als verschrobene Hass-Liebeserklärung jedem scharfen Robespierre vom Stammtisch auf. Hatte der nicht auch etwas von calvinistischer Selbsterwählung?

Warum nicht Ruhm auch bei klugen Leuten? Ein anderer, der auch ein paar Millionen in den Sand setzte, war zu Zeiten des Untergangs der römischen Republik gern gehörter Redner. Nur: Caesar hatte wirklich geschickte Reden drauf und vor allem die Zustimmung mächtigeren Ehrgeizes hinter sich. Da war aber auch ein Cato, ihm Paroli zu bieten.

*
All das, was ich da nicht sehe:
Einen guten Hirten,
Einen guten Freund,
Friedlichkeit, Freundlichkeit, Barmherzigkeit, Urteilskraft.

Ich komme an den Punkt, an dem ich mich entscheiden  muß, ob ich mich tiefer in seine Bosheiten begebe oder ohne Kommentar zum Schluss komme.

Von Gleichheit und Führerschaft

Eins scheint nötig: auf den Begriff des "Gleichheitswahns" einzugehen, der ihm doch so gut gefällt. Er wendet ihn überall an, wo es um Annäherung an Gleichheit, also Gerechtigkeit, geht.

Als die SPD sich nur mehr als ein esoterischer Kreis herrschender Funktionäre verstand und sich von den Armen abwendete, über deren Nähe sie sich in den Aufsichtsräten genierte, kehrte sie die der Menschenwürde verpflichtete Sozialhilfe um in ein Recht auf Wohltat durch Gehorsam: dem Rechtsanspruch auf Hilfe in der Not wurde die Bedingung der Erfüllung einer vom Amt zu setzenden Gegenleistung vorgeschoben. Der Ausgleich von Not wurde in den Begriff der Förderung umgedeutet, als etwas, das von einem an den anderen gegeben, nicht als etwas, das aus einem allgemeinen Vermögen bestimmungsgemäß verwendet wir. Aus dem in Not geratenen Nachbarn war auf einen Schlag ein Angehöriger der neu bezeichneten Klasse des Prekariats geworden. Der Funktionär hatte sich aus seinem Bekenntnis gelöst.

Hartz IV. Die Bürger haben den Verrat erkannt und sich in der Folge von ihrer Hoffnung auf die Partei der Gleichheit gelöst. Im Fördern und Fordern, das in einer langen Zeit der Übung von "Sparen bis es quietscht" zum Fordern statt Fördern wurde, zeigte sich die Haltung, die Gleichheit als Wahn wahrnimmt und Gerechtigkeit nach dem jeweiligen Aktienstand betreibt.
Mit einigem Recht wehrt sich der Genießer solcher Vorstellung gegen den Hinauswurf aus einem Club, dessen Krawatten er hoch gehalten hat, um sie vor Flecken der Sorge zu schützen. 
*
Die Säule Gleichheit bildet mit der Freiheit und der brüderlichen Sorge das Fundament dieser Republik.

Wer eine dieser Grundwerte des Bekenntnisses zur Würde, also zur Wertachtung, des Menschen, verächtlich macht, hat keinen Anspruch darauf, von Bürgern in seinen Plänen ernst genommen, auch nur gehört zu werden.

Hier zog einer den Not Leidenden "die Maske" des Heiligen von Gesicht, um dahinter unser aller Egoismus zu verspotten. Ja, litt dieser Mensch nicht unter Not? Und wie war es mit dem Arbeitslosen, dem einer Sekt über den Kopf kippte? Wie war es mit dem anderen, dem ein privilegierter Sozialdemokrat erklärte, er solle sich erst mal rasieren, wenn er einen Job wolle.  Der Blickwinkel des Unbarmherzigen macht den Unterschied zur Zeit vor Hartz.

Man gehe nicht auf die "Notwendigkeiten" ein, die dem Funktionär ein Mitmachen diktierten! Ich will wissen: Warum hast Du das unterstützt!

Ich habe in ein Werk von 400 oder 600 Seiten Gehässigkeit geblickt und hoffe, dass nichts davon an hängen geblieben ist.

Als die Gehässigkeit gegen die Armen Folgen zeigte, wendete Sarrazin sie nicht ohne finanziellem Erfolg gegen Flüchtlinge und Muslime. Schimpft er nicht gegen Ausländer? Jedenfalls schimpft er auf die Bürger, die nicht auf Ausländer schimpfen. Er meint "Man hörte förmlich das kollektive Zähneknirschen der vereinigten Medienklasse." Ich finde solchen Stolz beschämend.

Was wird sein?

Wenn sie in hundert Jahren in einem Sachsen- oder Bayerntal das verwitterte Schild eines "Thilo- Sarrazin -Wegs" lesen werden, werden sie sich -wie wir heute uns über ähnliche Wichtigkeitsanzeiger- fragen: Wer war wohl diese Type, die solchen Hype verdient? Der Fremdenführer wird dem nach sarrazinisch bravem Ideal geklonten deutschen Publikum oder dem natürlichen städtischen Mix erklären, was das wohl für eine verbitterte Sorte Mensch zu Zeiten des Fakers war.

Man wird leben und froh des Lebens sein und den Tod fürchten. Und man wird lieben und irgendwie doch den Anstand von der Menschenwürde mit sich tragen.

Voraussetzung: Der Gehässigkeit gelingt nicht, den Haß gegen ein nachbarschaftliches Leben in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit am Kochen zu halten.




Nachbemerkung:

Es gibt das Bekenntnis zu einer von frei und gleich Geborenen in gegenseitiger Sorge gestalteten Form politischen Lebens, der Republik.

Es gibt aber auch das andere Projekt einer in bevorrechtigte "Eliten" und in zu Führende geteilten Gesellschaft. Sich zu ihr zu bekennen, ist mit negativen Reaktionen von Seiten der als Verlierer belächelten Verlierer bedroht. Gern wird hier daher nicht ein problematisches Bekenntnis abgegeben, sondern allerlei passende Wirklichkeit verkündet.

Damals fielen zuerst die Intellektuellen um, besonders die, die sich dafür hielten.

Es bleibt eine Sache der Haltung: Was unterstützt Du?

Oder:

Which side are you on?

laudate dominum                                                                                   Klaus Wachowski 10.7.2019

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