Und was meint das "Blättchen in Tradition der Weltbühne Nr 2
16.1.2017" so recht kritisch von halblinks?
Das Platzieren von Namen sei doch irgendwie, irgendwie anders als eine Erschießung zu betrachten:
"Schmid manipulierte die Listen, indem er nur die Namen von Gefangenen notierte, die bereits zum Tode verurteilt waren und deren Exekution unmittelbar bevorstand. "
Er bekräftigte also nur den Mordbefehl, der auch ohne ihn wirksam war, ersparte sich einen eigenen?
Wie war es in folgenden Fällen?: ...zwischenzeitlich wurde "nicht mehr erschossen, sondern in die Konzentrationslager nach Deutschland deportiert."
Gab es da keine Erfordernis mehr zur Unterschrift?
Danach, 1943, gab es jedenfalls wieder neue Not:" Und wieder war es an Carlo Schmid, die Liste der zu Ermordenden zu manipulieren, indem er versuchte, vor allem die Namen derer dort zu platzieren, die bereits vorher wegen anderer Vergehen zum Tode verurteilt worden waren. "
Man platzierte die Namen ...
Wie Heimkehrwind das Segel der Galeere.
Nun weiß ich Dinge, die ich nie gewusst
Und ohne die mein Leben Reue wäre"
Aus: euphorischer Neubeginn im Südwesten (1945-1947)/ Kritik muss erlaubt sein. Weber S 252 ff
Als deutscher Verantwortungsträger fühlte er sich "wie Schulbuben" von den Franzosen behandelt."
Carlo Schmid ging es nicht um einen Affront gegen die Franzosen, aber nach anderthalb Jahren der Besatzungsherrschaft wurde das autoritäre Besatzungsregime -nicht mit Lille zu verwechseln- zu einem gefährlichen Hemmschuh für eine demokratische Entwicklung in Deutschland...
"Schmids Leben war trotz allem und vielleicht gerade deshalb sinnerfüllt. Er lebte damals sehr existentiell. Und es gab auch viel Leerlauf, viel Freizeit, in der er in eine andere Welt fliehen konnte, in die Welt der Musen. Die Zeit in Lille war nicht nur die Geburtsstunde des Politikers Schmid, es war auch die Zeit und der Ort, wo er seine künstlerische Begabung entfalten konnte." S 149
Verantwortung übernehmen
Schmid zog immer mehr Aufgaben an sich heran. Nur so konnte er zumindest in Teilbereichen die Schwere des Besatzungsregimes abmildern.
Die Aufsicht über die französische Justiz and die Gefängnisse, über die
er sich Anfang September genaue Unterlagen erbat, beanspruchte ihn
zunächst weniger als der Kampf gegen Plünderungen..." S 129
Gutes Tun erfordert nun einmal Herrschaft.
Tanz des Todesengels
"Oft war er gezwungen, seine Freizeit mit Niehoff zu verbringen. Wollte er überhaupt etwas errelchen, so durfte er den Umgang mit ihm nicht meiden, so durfte er sich nicht von den abendlichen Geselligkeiten ausschließen. Hätte er seine Abscheu allzu offen gezeigt, hätte er sich überhaupt kein Gehör mehr verschaffen können.
So war er zu einer Art Doppelleben gezwungen."
Grausamkeit bei besonderer Sensibilität
"In der Zeit vom 31. März bis 30. April 1942 wurden in Lille fünfzig
Geiseln exekutiert. In der Nacht vom 25. auf 26. März waren in der
Region d’Artois-Douai-Lens Sabotageakte an Eisenbahnlinien verübt worden, durch die ein deutscher Soldat das Leben verlor. Einen Tag später ordnete Falkenhausen die Exekution von fünf Geiseln an, falls die Attentäter nicht innerhalb von drei Tagen gefunden sein sollten; 15 weitere sollten erschossen werden, wenn innerhalb von zehn weiteren Tagen Noch keine Hinweise auf die Attentäter vorhanden seien. Am 14. April wurden neben den fünfzehn angedrohten Geiseln noch zwanzig weitere erschossen, die man nach der Ermordung eines deutschen Wachpostens am 11. April festgenommen hatte. Am 30. April wurden zehn Menschen als Sühne für die Ermordung eines deutschen Soldaten hingerichtet.
Auf Schmids Schreibtisch lagen die Geiselerschießungsbefehle. Er hatte die Geisellisten zusammenzustellen. Eine grausame Aufgabe für einen
Mann seiner Sensibilität und Humanität. Er wurde von Schuldgefühlen fast aufgefressen...
Es gab da Pflichten...
Was hätte man machen sollen?!
Umgang verpflichtet...
Carlo Schmid konnte so in vielen Fällen die grausame Praxis der Geiselexekution unterlaufen. Nach dem Krieg warf ihm der französische Sozialist Guy Mollet vor, er habe Resistance-Angehörige der deutschen Justiz ausgeliefert.” Im Straßburger Europarat wollte man sich deswegen nicht mit ihm an einen Tisch setzen. Daß er nur auf diese Weise das Leben Unschuldiger hatte retten können, wollten seine Ankläger nicht wahrhaben. Schmid selber quälten Gewissensbisse. Die Abschiedsbriefe der erschossenen Geiseln lagen auf seinem Schreibtisch. Viele der zum Tode Verurteilten waren Angehörige der Resistance. die für das Verteilen von Flugblättern oder die Gewährung von Unterschlupf für englische Soldaten mit dem Tode bestraft worden waren. Doch was hätte er machen sollen? Seinen Dienst quittieren? Er glaubte nicht, daß man durch Distanz sich weniger schuldig mache: "Tun und Nichttun wirken beide gleichermaßen Schicksal, und wer denkt, durch Abseitstreten sich aus der Verstrickung lösen zu können, der irrt sich in fürchterlicher Weise." Die Teufelsausrede" 'wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer schlimmer' enthielt mehr als ein Gran Warheit. Er mußte weiter versuchen, die Abscheulichkeiten des Regimes zu mildern. Die Anspannung war manche Wochen fast unerträglich. Ein "wenig Nachlässigkeit", ein wenig Bequemlichkeit und Müdigkeit mehr" konnte Menschen Freiheit und Leben kosten“. Und dieser Kampf um Menschenleben beschränke sich nicht auf die Dienstzeit. Er mußte weiterhin geselligen Umgang mi den Nationalsozialisten pflegen. Beim abendlichen Skatspiel konnte man manchen Verurteilten freibekommen. Carlo Schmid kam seine Trinkfestigkeit bei diesen abendlichen Geselligkeiten sehr zugute.
Häufchentausch zur Selektion
Die Anspannung bel dieser Manipulation der Geisellisten war: „Das bedeutet, daß ich eine Anzahl Karteiblätter, die vor mir liegen auf verschiedene Häufchen verteile, sie dann hin und her vertausche, sie nach einigen Telefongesprächen neu gruppiere, und was dann endgültig rechts liegen bleiben wird, die paar armseligen Namen, wird überantwortet werden. Es ist furchtbar dies mit kaltem Blute tun zu müssen, aber wehe dem, der dabei seine Hand von Bewegungen leiten ließe, deren Herr er nicht ist.“