Samstag, 28. September 2024

Ferdinand von Schirach zum Urknall

Von Schirach diene mir nicht zum Spott. Er hat interessante und durchdachte Geschichten erzählt, an denen ich nichts zu mäkeln habe. Dazu keine Kritik!

Leider zeigt sich hier auch an ihm wie sonst an anderen Intellektuellen meiner Zeit ein  lässiger Umgang mit der Philosophie, der mir eher dem „Spektrum der Wissenschaft“ zu entstammen scheint als dem Studium der Erkenntnisphilosophie.

 Aus Kapitel 15 seiner "Nachmittage", in denen Ferdinand von Schirach allerlei Merkwürdiges würdigt, steht folgende Überlegung:

 "Was war vor dem Urknall?" Solche Fragen sind sinnlos. "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt", sagt Wittgenstein. Es gibt kein "vor" dem Urknall, weil das heißen würde, dass es "Zeit" vor dem Urknall gegeben haben könnte. Aber "Zeit" ist nicht vorhanden, weil Zeit ohne Raum nicht möglich ist. Unsere Sprache kann nur innerhalb des Raumes und innerhalb der Zeit Sinnvolles aussagen. Die Existenz Gottes lässt sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil. Diese Grenzen beruhigen mich.“

 Merkwürdig. Vor dem Urknall sei nicht Zeit gewesen? Das mag man phantasieren (auch glauben läßt sich allerlei). Aber kann sich irgendein Mensch das vorstellen? Was war denn vor der Zeit und wer hat Gott erschaffen?  Hier sollte die Philosophie, nicht die Phantasie das Wort bekommen.

Der Begriffedeuter Wittgenstein, auch so einer, der klüger als Kant sein wollte. Und der vom Wort Zeit alles nicht wissen wollte, während er die Vorstellung Zeit ignorierte. Von der Deutelei zur Erkenntnis unserer Welt bedarf es eben eines Interesses am Erkennen dessen, das mehr Subjekt und Objekt ist als eine Funktionsbezeichnung im Satz, wo wohl die Grenzen Wittgensteins Welt zu liegen scheinen. In der Philosophie scheint es mir zuzugehen wie in der politischen Welt: Kaum ist die Revolution gemacht, kaum sind in der Republik die drei: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklicht, gibt es die klügere Klugheit vom wahren Fortschrittlicheren. Einseitige Nationalisten, einseitige Sozialisten und einseitige Kapitalistenfreiheit. Und wie dort gegen die Person das Interesse von Massen ausgespielt wird, so in der Philosophie Systeme -ja auch das System des Erzählen im Raum der Begriffe -gegen das Selbstdenken in der Welt als Vorstellung... Kaum hat die Erkenntnisphilosophie in den Untersuchungen der kritischen Philosophie Schopenhauers bewiesen, was bewiesen werden kann, konstruiert aus dem Willen zum Leben der Nachbrenner Nietzsche den Willen zur Macht, erschaffen die Wortklauber um Wittgenstein aus der Welt eine der Begrifflichkeiten, bläht die Witzosophie um Heidegger eben diese zu gewaltigen Gespinsten- und schon ist der ganze Kosmos des Unfugs um Sophisterei und Scholastik wieder geöffnet. Und in der Physik krümmt sich der Raum.

Und auch zum Gottesbeweis empfehle ich, den Übersetzer Kants, Schopenhauer, lieber zu fragen als etwa den hier superklugen Russel. „Die Existenz Gottes lässt sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil.“ Da bliebe doch statt Genügsamkeit die Frage vom Ursprung her:  Was also kann ich wissen? …

Was ist Beweisen anders als das Zurückführen von Gewissheiten auf ein Gewisseres. Was also können wir wissen? Zum Beispiel, was Wissen ist. Das behauptet auch Sokrates, wenn er sagt, nichts zu wissen, das aber gewiß! Und wer wirklich wissen will will, dem kann ich nur empfehlen die vierfache Wurzel vom zureichenden Grunde zu studieren. Oder, schwieriger, den Kant.

Karlsruhe 28.9.2024 Klaus Wachowski

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