Von Schirach diene mir nicht zum Spott. Er hat interessante und durchdachte Geschichten erzählt, an denen ich nichts zu mäkeln habe. Dazu keine Kritik!
Leider zeigt sich hier auch an ihm wie sonst an anderen Intellektuellen meiner Zeit ein lässiger Umgang mit der Philosophie, der mir eher dem „Spektrum der Wissenschaft“ zu entstammen scheint als dem Studium der Erkenntnisphilosophie.
Aus Kapitel 15 seiner
"Nachmittage", in denen Ferdinand von Schirach allerlei Merkwürdiges
würdigt, steht folgende Überlegung:
"Was war vor dem
Urknall?" Solche Fragen sind sinnlos. "Die Grenzen meiner Sprache
bedeuten die Grenzen meiner Welt", sagt Wittgenstein. Es gibt kein
"vor" dem Urknall, weil das heißen würde, dass es
"Zeit" vor dem Urknall gegeben haben könnte. Aber "Zeit"
ist nicht vorhanden, weil Zeit ohne Raum nicht möglich ist. Unsere Sprache
kann nur innerhalb des Raumes und innerhalb der Zeit Sinnvolles aussagen. Die
Existenz Gottes lässt sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil. Diese
Grenzen beruhigen mich.“
Merkwürdig. Vor dem
Urknall sei nicht Zeit gewesen? Das mag man phantasieren (auch glauben
läßt sich allerlei). Aber kann sich irgendein Mensch das vorstellen? Was war denn vor der Zeit und wer
hat Gott erschaffen? Hier
sollte die Philosophie, nicht die Phantasie das Wort bekommen.
Der Begriffedeuter Wittgenstein, auch so einer, der
klüger als Kant sein wollte. Und der vom Wort Zeit alles nicht
wissen wollte, während er die Vorstellung Zeit ignorierte. Von der Deutelei
zur Erkenntnis unserer Welt bedarf es eben eines Interesses am Erkennen
dessen, das mehr Subjekt und Objekt ist als eine Funktionsbezeichnung im Satz,
wo wohl die Grenzen Wittgensteins Welt zu liegen scheinen. In der Philosophie
scheint es mir zuzugehen wie in der politischen Welt: Kaum ist die Revolution
gemacht, kaum sind in der Republik die drei: Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit verwirklicht, gibt es die klügere Klugheit vom wahren
Fortschrittlicheren. Einseitige Nationalisten, einseitige Sozialisten und einseitige
Kapitalistenfreiheit. Und wie dort gegen die Person das Interesse von Massen
ausgespielt wird, so in der Philosophie Systeme -ja auch das System des
Erzählen im Raum der Begriffe -gegen das Selbstdenken in der Welt als
Vorstellung... Kaum hat die Erkenntnisphilosophie in den Untersuchungen der
kritischen Philosophie Schopenhauers bewiesen, was bewiesen werden kann,
konstruiert aus dem Willen zum Leben der Nachbrenner Nietzsche den Willen zur
Macht, erschaffen die Wortklauber um Wittgenstein aus der Welt eine der
Begrifflichkeiten, bläht die Witzosophie um Heidegger eben diese zu gewaltigen
Gespinsten- und schon ist der ganze Kosmos des Unfugs um Sophisterei und Scholastik
wieder geöffnet. Und in der Physik krümmt sich der Raum.
Und auch zum Gottesbeweis empfehle ich, den Übersetzer
Kants, Schopenhauer, lieber zu fragen als etwa den hier superklugen Russel. „Die
Existenz Gottes lässt sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil.“ Da bliebe
doch statt Genügsamkeit die Frage vom Ursprung her: Was also kann ich wissen? …
Was ist Beweisen anders als das Zurückführen von
Gewissheiten auf ein Gewisseres. Was also können wir wissen? Zum Beispiel, was
Wissen ist. Das behauptet auch Sokrates, wenn er sagt, nichts zu wissen, das
aber gewiß! Und wer wirklich wissen will will, dem kann ich nur empfehlen die vierfache
Wurzel vom zureichenden Grunde zu studieren. Oder, schwieriger, den Kant.
Karlsruhe 28.9.2024 Klaus Wachowski
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